Foto Skizzen, Kommentare, Überlegungen von Assoc. Prof. Dr. Andreas Becker, Tōkyō. Über diese Seite
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2022.07.10

Linus Pauling

Doppelter Nobelpreisträger Linus Pauling (Chemie- und Friedensnobelpreis) im Interview über die Wasserstoffbombe. Schon damals wurden Kritiker verächtlich gemacht, Vernunft setzt sich aber glücklicherweise durch. Hier geht es zu seiner Nobelpreis-Rede von 1963 [Link]

Ukraine-Krieg. Kommentar

Die Frage ist, wie lange Krieg 1 (Territorialkrieg) den Krieg 2 (ökonomischer Krieg) dominiert. Derzeit sieht es aus, als ob Russland, sowieso militärisch in der Übermacht, einen langen Atem hat und das Territorium der Ukraine zumindest theoretisch erobern kann. Hat der Westen dafür einen Plan? Wenn dies gelingen sollte? Und was passiert, wenn - wie es ebenso ausschaut - die Energieversorgung ganzer Länder im Winter in Frage steht. Welchen Preis ist man bereit zu zahlen? Welche unkalkulierbaren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft kann das haben? Man sollte hier in Desaster-Szenarien rechnen. Was ist, wenn es ein kalter Winter wird, kein Gas kommt und selbst die Industrieproduktion heruntergefahren wird? Wenn es dann im nächsten Jahr Massenarbeitslosigkeit in Deutschland gibt? Und das ohne Aussicht auf schnelle Besserung? Wird die deutsche Bevölkerung das geduldig hinnehmen?

2022.07.09

Das ägyptische Mundöffnungsritual

Vor einigen Jahren besuchte ich in Berlin einmal eine Ausstellung über Max Ernst und Ägypten. Da wurde auch ein Ritual beschrieben, dass man ein Skelett herumgehen ließ, wenn man trank. Das fand ich interessant. Siehe dazu auch Neureiter, S. (2005). Schamanismus im Alten Ägypten. Studien Zur Altägyptischen Kultur, 33, 281–330. [Link] sowie [Link]

2022.07.06

Lanz und Precht über den Krieg in der Ukraine

2022.07.03

Die Kriege der Ukraine

Der Kriegsberichterstattung stellt den Krieg in der Ukraine normalerweise im Singular dar, so als ob das Kriegsgeschehen auf das Schlachtfeld beschränkt und rein territorial wäre. Aber es gibt viele weitere Kriege, die sich um das Schlachtfeld herum und jenseits von ihm bildeten. Ein zweiter Krieg ist der ökonomische Krieg, dass etwa Deutschland im Jahr 2020 aus Russland 55,2 Prozent des Gases bezogen hat [Link]. Nun merkt es, dass die Lieferungen über Nordstream gedrosselt werden oder sogar ausbleiben. Das ist der Wirtschaftskrieg, der allerdings auch vom Westen kurz nach Kriegsausbruch als Antwort auf die territoriale Schlacht erfolgte. Dazu gibt es Deutungskriege, Gefühlskriege, Geschichtskriege, die alle dort sich anlagern und die weit weniger kalkulierbar sind als das Geschehen auf dem Schlachtfeld. Bei dieser Komplexität fragt es sich, wie eine Friedensverhandlung aussehen könnte, weil schon jetzt eine Unmenge von Akteuren involviert sind, die je andere Interessen und Maßstäbe haben. Betrachtet man die Medienberichterstattung in Deutschland, so hat man den Eindruck, als ob der Krieg hier bereits tobe, wenn etwa von Rationierungen gesprochen wird, so als sei das eine geordnete Reaktion auf den Krieg.

Interessante Ausstellungen in Tōkyō

Derzeit gibt es mehrere interessante Ausstellungen in Tōkyō. Gestern besuchte ich Listen to the Sound of the Earth Turning: Our Wellbeing since the Pandemic (noch bis zum 11.11.2022) im Mori Art Museum [Link]. Eine ruhige Ausstellung, nichts Spektakuläres. Zurückgenommene, leise, human-animale Bienenkunst von Wolfgang Laib [Link]. Besonders beeindruckend Naito Masatoshis (内藤 正敏) Photographien [Link], die ich schon im Photographiemuseum in Tōkyō sah. Buddhistischer Surrealismus. Dazu zeigt das Momat Tōkyō gerade eine Gerhard Richter-Retrospektive [Link] (bis zum 2.10.2022). Der Birkenau-Raum ist von bedrückender Intensität. Dazu verschiedene abstrakte Kunstwerke, beeindruckende Glas-Installationen, Glasmalereien, Zeichungen der letzten Jahre.

Lesung und Gespräch mit Dr. Kayo Adachi-Rabe über Teinosuke Kinugasa, Seijun Suzuki und Shinji Aoyama online!

2022.07.01

Hundekonzert am Morgen

Japanische Hunde sind, wie ich an anderer Stelle bereits erwähnte, achtsam wie die Menschen. Sie bellen nicht und sind auch nicht wütend, bewegen sich vorsichtig. Heute Morgen um fünf Uhr aber wollten sich die Hunde unterhalten. Sie bellten, was sie sonst niemals tun, im Konzert, tauschten quer über die Häuserblocks einige Minuten lang Botschaften aus. Die Herrchen und Frauchen ließen sie gewähren, schimpften sie nicht, sondern gemahnten sie sanft zur Ruhe. Der Pegel senkte sich. Die Aufregung legte sich. Es wurde wieder still.
[Link]

2022.06.20

Sozialpsychologe Harald Welzer über den Krieg

In Zeiten wie diesen ist offenbar ein Diskurs selbst in Talkshows (oder gerade in diesen?) nur mehr schwer möglich, ohne Beleidigungen der Gesandten ausgesetzt zu werden. Mit einer Anfeindung rechnete Soziologe Harald Welzer offenbar nicht. Er war, aus dem »Professorenzimmer« (Melnyk) kommend, zu friedlich gesinnt. Jetzt wirft man ihm sogar vor, er sei dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk mit Herablassung begegnet. [Link FAZ]

2022.06.16

Karl Kraus: Wieder aktuell!


Dies ist das Video von Albrecht Viktor Blum: Karl Kraus. Aus eigenen Schriften, 1934. Kraus liest seine Texte Zum ewigen Frieden (aus: Die Fackel), Die Raben (aus: Die letzten Tage der Menschheit), Reklamefahrten zur Hölle (aus: Die Fackel), Weg damit! (aus: Die Fackel). Online-Ausstellung Kraus [Link]

2022.06.15

Baby Metal Live!/Halford

2022.06.14

Phänomenologie des Krieges

Betrachtet man Kriege phänomenologisch, so wird deren Irrationalität deutlich. Ein Soldat an der Front etwa macht Epoché, setzt also die ›natürliche Einstellung‹ des Krieges, dass es einen Feind gibt, den er bekämpft, außer Vollzug. Dann sieht er in der Ferne ein Geschütz qualmen. Wenig später dann schlägt bei ihm das Geschoss ein. Er lädt seine Haubitzen und feuert. Sein Nachbar fällt auf einmal um. Diese disparaten Eindrücke sind das, was phänomenologisch aufweisbar ist. All diese Kriegsgründe beruhen auf bestimmten Weltsichten, auf ›Kriegswelten‹, deren Erzählung weit zurückreicht und vollkommen disparat ist, die aber die meisten Menschen glauben. Sie kämpfen für ihre ›Freiheit‹, für abstrakte Werte. Die anderen sind mit ebensolcher, komplementären Kriegssicht ausgestattet. Es fällt nicht schwer, einen Krieg, hat man die Epoché vollzogen, zu beenden. Aber die ›Kriegswelten‹ zu verlassen, jene Perspektiven, die die anderen Welten, die Kulturwelt, die ökonomische Welt, die Umwelt dominieren, das scheint in der gegenwärtigen Situation kaum möglich. Es braucht dazu eben eine Vermittlung mit der Kriegswelt der anderen Seite. Beide müssen ihre Sicht verlassen. Aber weil die mediale Propaganda beide Welten erstarren lässt, sind Überlagerungen gefährlich, Verstehensversuche werden als defätistisch abgeurteilt. Die Toten gelten als Beweis für die Richtigkeit der eigenen Sicht. Kriege sind emotionale und intellektuelle Bankrotterklärungen. Eine Seite versteht die andere nicht mehr, kann und will keine Kompromisse mehr schließen und wechselt auf die physisch-vernichtende Ebene, auf der die Zerstörungsstärke der maßgebende Faktor ist, die Angst. Warum die eine Seite die andere nicht mehr auszuhalten glaubt, die Gefühle sich in der strategischen Destruktion entladen, kann nur durch feinste Analysen beschrieben werden. Aber die Epoché, die wäre der erste Schritt. Charlie Chaplin ist in seinem The Great Dictator (1940) durch und durch Phänomenologe.

2022.06.13

Earl Grant The End (of a Rainbow)

Eben erschienen!

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Andreas Becker (2022): Imaginationswellen. Überlegungen zum Internet, zur ‚künstlichen Intelligenz‘ und dem Digitalstaat, Stream-of-Consciousness-Vorträge IV, Internetpublikation
[pdf High Res, 12.4 Mb]
[pdf Low Res, 3.5 Mb]
[epub, 29.7 Mb]

2022.05.31

Wer kann besser schreien als Burdon?

2022.05.28

Über das kulturweltlich Andere

Lernt man Kulturen kennen, so sollte man darauf achten, was fehlt. Das kulturweltlich Andere zeigt sich in der Abwesenheit mehr als in den offenbaren Bezugsfeldern. Es schattet sich nur langsam ab. So habe ich lange gebraucht, um wahrzunehmen, dass die Hunde in Japan friedlicher, achtsamer sind und nicht bellen. Sie bellen in der Regel auch dann nicht, wenn sie sich erschrecken.

Über Erziehung

Erziehung bei Kindern geschieht immer im Futur II. Wer glaubt, man könne Menschen nur in der Gegenwart erziehen, irrt. Es geht doch gerade darum, die eigene Befindlichkeit zum Wohl der Gefühlswelt des Anderen zurückzustellen im Hinblick auf dessen Zukunft. Die Wertigkeit der glücklichen Zukunft des Anderen wiegt höher als meine gegenwärtige Befindlichkeit. Wir arbeiten also in der Erziehung an möglichen zukünftigen Räumen des Glücks. Mehr als vorbereiten kann man nicht. Die Anstrengung, die uns das in der Jetztzeit abverlangt, lässt sich nicht umgehen. Muten wir unsere Gefühle dem Kinde zu, so ist dies eine Form der Gewalt. Es ist verwunderlich, dass die Gesellschaft diesem ›Antirealismus der Gefühle‹ (Alexander Kluge) so wenig Beachtung schenkt. Es ist doch klar: Wenn Menschen eine gute und glückliche Kindheit haben, werden sie ihre positiven Erlebnisse weitergeben. Sie werden auch nicht dazu tendieren, andere Menschen zu ärgern, sie willentlich zu kränken oder etwas mutwillig zu zerstören. Sie ruhen in sich. Die Anderen erscheinen ihnen als Freunde, mit denen man kooperiert. Die Auswirkungen einer unachtsamen Erziehung können katastrophal sein, aber in jedem Fall muss die Gesellschaft für ihre Fehler hier einen sehr viel höheren Gefühlspreis zahlen. Was der eine im Jetzt glaubte sich erleichtern zu können, gleicht die Gesellschaft dann später zigfach aus. Noch schlimmer wird es, wenn man Kindern, etwa durch staatliche Order, systematisch solche Blessuren beibringt. Dann assoziieren sie sich später und können mitunter in eine negative staatliche Dynamik eingebunden werden. Im Bereich der Gefühle gibt es eine Disrealtion zwischen positiven und negativen Gefühlen. Die negativen Gefühle tendieren dazu, Dynamiken zu entfachen, können gar explosiv sein. Die positiven Gefühle ruhen in sich. Es gibt keine dem Krieg entsprechende sich ausbreitende Dynamik des Friedens. Unaufmerksamkeit hier erzeugt 20 Jahre später mitunter Wellen der Gewalt, die wir weder beherrschen noch verstehen.

2022.05.27

Neuer Song: Starfield

Aufsatz zu Rammstein


Vor ein paar Wochen erschien mein Aufsatz zu Rammstein: »›Du bist mir ans Herz gebaut.‹ Provokation, Tabubruch und ihre narrative Funktion am Beispiel von Lars von Triers Nymphomaniac und Rammsteins Filmmusik«, in: andererseits. Yearbook of Transatlantic German Studies, Heft 9/10, S. 115-128 [pdf]

2022.05.26

George Soros' Remarks Delivered at the 2022 World Economic Forum in Davos

George Soros hat in Davos eine beeindruckende Rede gehalten, die die Hauptlinien der derzeitigen Entwicklung sehr klar wiedergibt. Merkwürdig, dass während der Diskussionsrunde die Gäste an ihren Tischen gegessen haben. Das war wahrscheinlich auch so während des Vortrags. Das ist der Punkt, an dem Helge Schneider die Bühne verlässt. Soros hält das aus. Folgerichtig hätte auch Soros etwas speisen und trinken sollen, schmatzend über den Weltuntergang sprechen, das wäre es gewesen. Drei Statements fand ich besonders wichtig: »In theory, AI ought to be politically neutral: it can be used for good or bad. But in practice the effect is asymmetric. AI is particularly good at producing instruments of control that help repressive regimes and endanger open societies. Covid-19 also helped legitimize instruments of control because they are really useful in dealing with the virus.« Dem stimme ich vollkommen zu. Die KI wird zur digitalstaatlichen Kontrolle benutzt, sie dient den Menschen oftmals nicht. Auch seine Analyse von Xi Jinpings Lockdown-Politik dürfte stimmen. Selbst Chinesen, denen alles Mögliche bei Widerspruch droht, halten hier nicht mehr still, wenn wochenlang ihre Wohnung zum Gefängnis wird: »The lockdowns had disastrous consequences. They pushed the Chinese economy into a free fall. It started in March, and it will continue to gather momentum until Xi reverses course – which he will never do because he can’t admit a mistake. Coming on top of the real estate crisis the damage will be so great that it will affect the global economy. With the disruption of supply chains, global inflation is liable to turn into global depression.« Es ist offenbar wirklich so. Xi kann keine Fehler eingestehen, das geht aus seiner Funktion heraus nicht. Auch die Putin-Analyse dürfte treffen: »Yet, the weaker Putin gets the more unpredictable he becomes. The member states of the EU feel the pressure. They realize that Putin may not wait until they develop alternative sources of energy but turn off the taps on gas while it really hurts.« Das heißt aber: Schnellst möglich Frieden schließen, um fast jeden Preis. Wenn sich der Krieg weiter frisst und die nächsten Staaten in das Kriegsgebrüll einstimmen, wird es immer schwieriger.
[Link Rede Soros im Text mit Youtube-Aufzeichnung]
[Link Q&A Soros auf Youtube]

2022.05.23

KACHIMIZU Fuko 蛇 Hebi / Snake


[Link]

2022.05.22

Colibri - neuer Song!

[Link Soundcloud]

2022.05.16

Neuer Song von KACHIMIZU Fuko Apeiron - ἄπειρον / Das Unendliche

[Link Soundcloud]

2022.05.11

Neuer Song von Kachimizu Fukochan - Hubschrauberlandeplatz

2022.05.10

Kommentare zum gestrigen Tag

Lesung von Alexander Kluge Im Apparat. Er erinnert die Weltgeschichte besser als die meisten ihr eigenes Leben. Wären es nur die Verweise, aber es sind ja auch die tiefen Brunnenschächte, die er gräbt. Besonders beeindruckte mich der Film »Der Ton des Planeten Uranus und der Gesang der Gorillas« [Link], mit Elementen einer Installation von Katharina Grosse [Link]. Kurz vor der Lesung ein kleines Erdbeben. Regen. Heute scheint die Sonne. Gerade gejoggt. Obertöne. Chladni-Figuren. Sferics. Sonnenwetter. Die Zeit vergeht eigentümlich langsam.

2022.05.05

サツキ

Der Duft der Alpenrose (サツキ, Rhododendron indicum) weht durch das Fenster.

Obertöne, stehende Wellen und Chladni-Figuren

[Link Youtube]

2022.05.03

Neuer Song von KACHIMIZU Fuko: Tōkyō Twilight

Die Sonne geht unter. Der Himmel wird dunkel. Tōkyō Twilight.
[mp3]

2022.05.02

Interview mit dem Sammler Gerhard Pulverer

[Link Youtube]
Gerhard Pulverer sammelt japanische Drucke und Bücher. In diesem Gespräch berichtet er von seiner Sammlung, über den Kunsthistoriker Jack Hillier und mehr. Auf der Homepage kann man Digitalisate davon bestaunen. Eine Suchfunktion erschließt die Werke.

Neuer Song: Ein Lidschlag

Ein Augenblick. Ein Lidschlag
[mp3]

2022.05.01

Neuer Song: Was ist die Nacht?

Ein Schatten. Ein Traum. Schlaf.
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Das Ritornell der Orgel (Garage Band, Crystalline Structures). Ich frage mich, warum diese Tonfolge so trägt. Sie verleiht dem Song ein angenehmes Schweben. Es ist, als ob ein Ton fehlte und man diesen in der Wiederholung suchen würde.

2022.04.30

Offener Brief zum Krieg in der Ukraine. Interview mit Alexander Kluge. Lesung Kluge

Die Zeitschrift Emma veröffentlichte dieser Tage einen Offenen Brief an Kanzler Scholz, in dem zur Besonnenheit geraten und vor dem 3. Weltkrieg gewarnt wird. Alexander Kluge legte die Positionen der Unterzeichner am 29. April im Deutschlandfunk [Link] wie immer klar und überzeugend dar. Zur Bundestagsdebatte zur Lieferung von schweren Waffen (28. April) geht es hier [Link]. Alexander Kluge spricht am 9. Mai in unserer Zoom-Vorlesungsreihe Im Apparat.
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Heavy Rain - 豪雨, goū. Neuer Song von KACHIMIZU Fuko!

2022.04.29

Video vom Operndorf, Gespräch mit Aino Laberenz online!

[Link]

2022.04.28

ラムシュタイン『ツァイト』 プレミア

Das neue Album Zeit von Rammstein in Tōkyō, das durfte ich mir nicht entgehen lassen. Ich bin zunächst im falschen Kino gewesen, in Yūrakuchō 有楽町 gibt es einige. Die Dame war aber schon darauf vorbereitet, zeigte mir einen Plan und sagte, dass das Kino Pikadiri 丸の内ピカデリー [Link] direkt hinter dem Dōsokudōro 高速道路 sei, der Schnellstraße dort drüben. Diese ist auf Pfeilern gelagert, eine Ebene über der Stadt, dazu gut lärm- und blickgeschützt, zum ersten Mal bemerkte ich diese Straße, obwohl ich doch öfters in diesem Viertel bin (liegt bei der Ginza). Im fünften Stock dann, zwei Stockwerke unter dem Alternative Cinema, war dann dieser Shōchiku-Dolby Atmos-Saal. Ungefähr 1/3 bis 1/2 besetzt, gar nicht schlecht für Japan. Fast alle in Schwarz gekleidet, viele mit Rammstein-Kapuzenjacke. Eine junge Dame mit einem Kapuzenpullover: »Du bist, was Du isst« stand darauf. Sie hatte ein Bier auf dem Tablett, dazu Chips. Ein junger Herr sprach mich, einziger Deutscher, einziger Europäer, einziger Westler, an, wie ich das neue Album finde, die zwei bislang veröffentlichten Songs eben, Zeit und Zickzack, geht so, sagte ich. Das ist doch mehr Comedy. Alle reihten sich brav wie immer vor dem Einlass ein und bekamen ein Plakat als Geschenk. Der Sound ist ziemlich gut, weil die Lautsprecher wie Waben in der Decke lagern. Schade finde ich an den Dolby-Liedern/Sound allgemein, dass man glaubt, alles müsse laut sein. Dabei wären doch leise Geräusche auch mal interessant, Distanz, Feinfühligkeit. Die Idee, ein Musikalbum zur Premiere im Kino abzuspielen, die finde ich super. Denn das Kino von heute langweilt mich zunehmend. Ich kenne die Dialoge schon vorweg, ahne die nächsten Minuten vor und dann rate ich auch oft die Handlung richtig. Das ist alles nur nach Schema-F gestrickt, ohne Risiko produziert, mit der Angst vor dem Publikumsschwund im Nacken. So wünsche ich mir, dass man öfters mal einfach in diesem guten Sound die Phantasie durch die Musik spielen ließe, anstatt sie durch die satten Bilder zu betäuben. Vielleicht mal eine kurze Bewegtbildsequenz. Aber nur, wenn der Filmemacher ehrlich glaubt, dass es eine gute Idee sei, Bilder zu benutzen. Vielleicht mal ein Schattenspiel oder eine Live-Schaltung zu 00 Schneider? Das Album ging so. Aber Songs wie Armee der Tristen, Angst, Lügen, aber auch Schwarz waren doch genau in der Portion überraschend wie eingängig. Dieser Tage sprach ich noch im Seminar über das Spiel Wer hat Angst vorm schwarzen Mann. Was passiert, wenn man auf der Welt Dicke Titten singt? Nicht auszumalen! Deutsche Primitivität eben! Besser als die aufwendigen Videos gefielen mir die einfachen Tanzperformances.

2022.04.24

Elon Musk über künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit

[Link]

2022.04.12

Dorothea Mahnke (DAAD Tōkyō): Über das Studium in Deutschland und die Fördermöglichkeiten des DAAD

[Link]

ピンキーとキラーズ  「恋の季節」

[Link Youtube]

2022.04.07

Stream-of-Consciousness-Vortrag III ist online: Heraklit am Sumidagawa. Objektive und subjektive Zeit/Photographie und Film/Erinnerung, Internetpublikation

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2022.04.01

Positive ENERGIE!

[Link Youtube]

2022.03.28

African Breeze

Der neue Song von KACHIMIZU Fuko 火地水 風子

[mp3]

2022.03.27

Frieden und Krieg. Stream-of-Consciousness-Vorträge II

Meine neuen Stream-of-Consciousness-Vorträge II sind eben im Open Access erschienen. Das Manuskript gibt es hier.
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[Pdf High Res, 1.3 Mb]
[Pdf Low Res, 524 Kb]
Die Vorträge können Sie hier hören:
Strategien der Konfliktvermeidung
[mp3]
Über die Dynamik von Liebe und Hass
[mp3]
Bilder des Krieges
[mp3]

2022.03.25

Wozu sind Kriege da?

Was wird aus jenen Menschen, die sich da schnell ausbilden lassen?
[Link Youtube] [Link Youtube]

»Von Afrika lernen«: Das Operndorf Afrika in Burkina Faso heute

Zoom-Gespräch, 28. März 2022, 19.30-20.30 Uhr, Tōkyō-Zeit (12.30-13.30 Uhr dt. Zeit), Moderation Andreas Becker und Chikako Kitagawa (Keiō-Universität Tōkyō)

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Das Operndorf Afrika ist ein internationales Kunstprojekt, das seit 2009 in Burkina Faso/Westafrika entsteht und auf die Idee des deutschen Künstlers Christoph Schlingensief (1960–2010) zurückgeht.
Mit der offiziellen Gründung war Schlingensiefs Wunsch verbunden, einen Ort internationaler Begegnungen zu schaffen – künstlerisch wie kulturell. Unter dem Motto »Von Afrika lernen« manifestiert sich seither etwa 30 Kilometer entfernt von Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, eine Plattform für interkulturelle Austauschprogramme und postkoloniale Diskurse, die ein neues und insbesondere differenziertes Bild von Afrika sichtbar macht, womit sich das Projekt von vielen anderen in der klassischen Entwicklungszusammenarbeit unterscheidet.
Bis heute wurden auf dem von der burkinischen Regierung bereitgestellten Areal 26 Gebäude errichtet. Unter der Geschäftsführung von Aino Laberenz (seit 2010) werden alle Bauvorhaben, Kulturprojekte und ihre Finanzierung durch die 2009 von Schlingensief gegründete Festspielhaus Afrika gemeinnützige GmbH mit Sitz in Berlin koordiniert. Seit 2011 steht das Projekt unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident a.D. Horst Köhler. Im Dezember 2012 wurde außerdem die gemeinnützige Stiftung Operndorf Afrika gegründet. Mittelfristig soll die Stiftung die laufenden Betriebs- und Administrationskosten und den Etat des Kulturprogramms für das Operndorf Afrika übernehmen. Die Betriebseinheiten Schule und Krankenstation werden bereits jetzt durch die Regierung von Burkina Faso getragen. Das Projekt soll langfristig in die Souveränität seiner Bewohner*Innen übergehen.

Aino Laberenz, Geschäftsführende Gesellschafterin der Festspielhaus Afrika gGmbH und Vorsitzende der Stiftung Operndorf Afrika, im Gespräch mit Andreas Becker und Chikako Kitagawa (Keiō-Universität Tōkyō).
Zoom-Daten:
Zoom-Meeting beitreten
https://keio-univ.zoom.us/j/89261086882?pwd=U1F6NWY4Nk5ZNU1uL3FWY1lvNm5SQT09
Meeting-ID: 892 6108 6882
Kenncode: 584813

2022.03.20

Interview mit Lu Yang

[Link Youtube] [Link Youtube] [Link Youtube]

2022.03.17

Rob Halfords Greatest Songs

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Crazy World, der neue Song von KACHIMIZU Fuko 火地水 風子

[mp3]

Stilles Sprechen. Eine Phänomenologie der Gedanken/Überlegungen zum Meta-Wesen Staat - Mein neues E-Book ist im Open Access erschienen! Stream-of-Consciousness-Vorträge I

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Mein neuer Mini-Dokumentarfilm: Der Schweißer

[Link Youtube]

2022.03.15

Die unbewaffnete Armee. Über
 Alternativen der Landesverteidigung. Improvisierter Kurzvortrag

Heute möchte ich über Armeen sprechen, Armeen und Denken. Eine Armee ist zur Verteidigung des Landes da. Das wäre eine einfache, allgemeine Definition. ⤵ Man sagt, es gibt einen Berufsstand, das ist der Berufsstand des Soldaten und der erfüllt innerhalb der staatlichen Ordnung eine Funktion: Die der Landesverteidigung. Er repräsentiert dieses Verteidigungspotential. Die Menschen gehen in diese Struktur ein und werden in sie überführt. Sie werden zu Soldaten. Im schlimmsten Falle kommt es dazu, dass zwei Armeen gegeneinander kämpfen und Soldaten einander töten. Wobei es nie so ganz klar ist, ob ein Soldat den anderen getötet hat, wen er getötet hat. Auch ist nicht klar, warum. Im Gefecht geht alles sehr schnell und man kann diese Kausalitäten schwerlich bilden. Der Soldat darf nicht wahllos Menschen töten, es gibt ein Kriegsrecht, ein übergeordnetes Recht, das es ihm verbietet, zum Beispiel wahllos auf Zivilisten zu schießen. Er muss also eine Unterscheidung machen zwischen einem Zivilisten und einem anderen Soldaten, einem ‚feindlichen‘ Soldaten, der feindlichen Armee. Wenn es aber zu diesem schlimmsten Falle kommt, dass einer den anderen tötet, dann ist das für mich immer noch etwas Unverständliches. Dass der Staat beim Bürger, beim Menschen sagt: Wenn Du einen Mensch tötest, dann erhältst Du die höchste Strafe, die es gibt, bekommst ‚lebenslänglich‘, oder wenn es fahrlässige Tötung ist, verschiedene Abstufungen, dann bekommst Du vielleicht weniger, aber Du bekommst die Höchststrafe, die es gibt. Das ist das schlimmste Verbrechen, einen anderen Menschen zu töten. Das wäre im Frieden innerhalb des Staates. Und der Soldat, der hat nicht nur, der genießt nicht nur eine Straffreiheit, wenn er Andere tötet, sondern es ist auch sein Auftrag, bei der Landesverteidigung im Kriegsfall den anderen Soldaten zu töten. Wir haben es hier mit einer Umkehrung der Moral zu tun. Mir ist das sehr fremd. Denn die Repräsentationsfunktion des Menschen als Soldat, die kann nie so stark sein, dass der eine Mensch den anderen umbringt. Da muss der Mensch die Repräsentation aufgeben und sagen: „Ich agiere nicht mehr im Namen des Staates, um einen anderen Menschen zu töten oder auch nur töten zu können.“ Aber das wird von ihm erwartet.
Und es entstehen solche Dynamiken, die sind eigener Art. Da ist zunächst einmal [dieses]: Wenn einer mit einer Waffe auftritt in einer Menschengemeinschaft und die bedroht, dass dann Angst erzeugt wird. Und die Angst ist dann so groß, dass man denjenigen, der bedroht, ausschalten will oder verhindern will, dass er das weiter tun kann. Das kann dann so weit gehen, dass man gegen denjenigen kämpft oder gegen diejenigen, die dann drohen. Und so entstehen Dynamiken. Der eine fühlt sich vom Anderen bedroht, der eine hat noch eine größere Waffe. Der bringt noch eine Waffe an. Es wird etwas zerstört. Es kommt dann noch das Motiv der Rache ins Spiel, dass der Kamerad gefallen ist, die Familie getötet, Freunde usw. Das ist die Dynamik des Krieges, die sehr existenziell ist. Der Staat kümmert sich nicht mehr darum. Die Veteranen werden versorgt. Aber die Menschen sind dann psychische Wracks. Wenn ein Mensch einen anderen getötet hat, das hinterlässt natürlich tiefste Spuren. Abgründe tun sich da auf.
Das wäre also die eine Dynamik, die man vielleicht als Dynamik des Tötens beschreiben [könnte]. Beim Krieg kommt noch eine andere Dynamik hinein, also mehrere Dynamiken, aber eine, die gerade heute immer wichtiger wird, das ist die ökonomische Dynamik. Krieg ist auch in dieser Hinsicht irrational, als dass er Waffen einsetzt und diese direkt zerstört. Es ist gerade die Idee des Kriegs, dass sich die Waffe vernichtet. Oder dass ich eine Abschussvorrichtung habe, aber die eigentliche Waffe, die Kanone, die Rakete, das Projektil, das wird vernichtet. Das heißt: Das ist eine unglaubliche Beschleunigung der Ökonomie. Man hat Unsummen von Mitteln, die man aber für nichts anderes einsetzt, als sie direkt zu zerstören. Das ist also im Prinzip auch die Idee des Kapitalismus. Mehrwert erzeugte ich, indem ich immer kürzere Kreisläufe habe. Und der Krieg ist nun der kürzeste Kreislauf der ‚Ware‘, also die ‚Ware‘ Bombe wird produziert und direkt abgefeuert. Und zwar in großem Stil, systematisch, in Bataillonen. Das führt aber zu einer zweiten Dynamik, neben der existenziellen, zu einer ökonomischen Dynamik, die auch keine Grenzen kennt, weil beide Seiten das machen. Wer will das bezahlen? Jeder weiß: Das kann keiner bezahlen! Das ist eine irrwitzige Verschleuderung von Geld! Ich kann im Prinzip gleich Geld nehmen und das verbrennen. Und das hinterlässt dann wirtschaftliche Schäden immensen Ausmaßes.
Und das Dritte kommt noch hinzu, dass der Staat, das Meta-Wesen, der Leviathan, auch in sich aus der Abstraktion her denkt und sich irgendwelche Mythen bildet, historische Narrative, aufgrund derer er sagt: „Dieses Territorium gehört mir!“ Oder ein bestimmtes Gebiet beansprucht. Das führt dann auch zu Dynamiken, weil der eine Staat den anderen nochmal bedroht oder mit einem Narrativ Gegenansprüche stellt, die Ansprüche zurechtweist. Das sind aber unterschiedliche Erzählungen. Da entstehen Konfrontationen. Und man könnte sagen, diese stehen überhaupt am Beginn. Das haben wir schon gesehen beim Gedanken.
Jetzt müsste man überlegen, wie kann man es schaffen, dass es Frieden in der Welt gibt? Wenn man sagen würde, man schafft die Armee ab, ein Staat schafft die Armee ab. Man kann eine Miliz aufbauen, dann hat man eine ‚Bürgerwehr‘, so wie in der Schweiz. Aber wenn man [das alles gar nicht will], das löst man friedlich, dann gibt es das Szenario, dass der andere Staat, der noch die Waffen, die Armee hat, einmarschiert. In diesem Sinne diese Idee der Friedlichkeit des Staates als Einladung annimmt, ihn anzugreifen, einzumarschieren, zu besetzen. Das ist nicht von der Hand zu weisen, dass es so etwas gibt oder geben könnte, dass da eine Gefahr besteht. Die Alternative wäre, wie gesagt, eine Bürgerwehr, dass die Polizei solche Funktion übernimmt, dass man keine größeren Waffen hat. Aber wenn eine Armee in das Land einmarschiert, dann kann man sich wehren. Das ist natürlich bei den heutigen Waffen, wenn die Infrastruktur zerschossen wird, dann könnte man sich auch schwer wehren. Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, dass man dennoch eine Armee aufrecht erhält, aber eine Armee, die nicht bewaffnet ist. Eine Armee, die also wie die Bobbys in Großbritannien auch, mittlerweile werden sie wahrscheinlich bewaffnet sein, aber früher hatten sie nur den ‚Slapstick‘, den Schlagstock. Das ist auch eine Waffe, aber keine Schusswaffe. Sie wären in dieser Hinsicht friedlich. So etwas könnte man sich für die Armee auch überlegen. Und dann würde natürlich jeder die Kritik äußern: „Wenn Ihr solche Soldaten habt, dann sind die Kanonenfutter!“ Das sind sie immer! Soldaten rechnen immer damit, dass sie sterben. Hier geht es um etwas ganz Anderes. Die Frage ist [doch] die: Wenn eine Armee die andere angreift, dann ist gewissermaßen ein Patt da. Beide bedrohen sich gegenseitig. Die Gefechtssituation ist eine paritätische. Die Prämissen des Krieges sind damit erfüllt: Der eine schießt den anderen tot, im Kampf, im Gefecht.
Wenn jetzt so etwas aufträte, wie: Wir haben eine Armee, aber die Armee ist nicht bewaffnet. Die stellt sich dann dorthin, wo gekämpft wird, wo man erwartet, dass die andere Armee angreift, aber man bleibt friedlich. Man kooperiert nicht, man übergibt das Land nicht, aber in diesem Sinne wehrt man sich nicht, man leistet passiven Widerstand, so wie die Besetzer, wenn sie demonstrieren und sich anketten oder hinsetzen und dann weggetragen werden, so etwas in der Art. Das wären passive Widerstandsformen, die die Soldaten auch lernen und einüben. Aber sie würden sagen: „Wir triumphieren mit dem Geist.“ Ihr könnt uns physisch verhaften, töten, versuchen, hier wegzutragen, aber geistig werden wir uns nie auf diese Stufe stellen, dass wir Euch töten wollen. Ihr seid Menschen. Wir achten Euch. Wenn Ihr uns nicht achtet, zeigt uns das meinetwegen, indem Ihr uns tötet, aber wir werden nicht das Gleiche mit Euch tun.
Auch da wäre die erste zu erwartende Reaktion auf dieser Art von unbewaffneter Armee, dass die meisten befürchten würden, dass das auch eine Einladung wäre, anzugreifen, das wäre keine ‚richtige‘ Armee oder so etwas. Aber ich glaube das nicht. Man könnte nämlich genauso, wie man es heute bei der Armee macht, wo man technisch bestimmte Wahrnehmungsdispositive, Wahrnehmungsordnungen sich nutzbar macht, um den Anderen zu töten, so könnte man auch Formen dieses ‚militärischen Ungehorsams‘ entwickeln, die dann dazu führen, dass derjenige Soldat, der den unbewaffneten Soldaten töten will, größte Schwierigkeiten damit hätte. Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn einer einfach auf ihn zugeht und sagt: „Ich tue Dir nichts!“, dass er natürlich erschossen werden könnte, aber das bleibt immer haften. Das wird dieser Mensch immer erinnern. Solche Situationen könnte man sich vorstellen und könnte die Soldaten so ausbilden, dass sie fähig wären, auf eine Weise in den Tod zu gehen, die den Anderen [davon] abhält, weiter zu töten. So eine Art von Spiegelung. Der Andere tötet ganz leicht, wenn der Soldat anonym ist, als kleines Bild erscheint, in Distanz. Aber es ist ganz schwierig für den Soldaten, mit der Hand zu töten oder wenn man dem Anderen in die Augen blicken kann. Solche Situationen sich ersinnen und das einüben, dass man als unbewaffnete Armee kontert, indem man Situationen erzeugt, in denen Töten nahezu unmöglich wird. Überhaupt ist es so, es ist eine Frage der Metaphysik. Versteht man das so, dass derjenige, der getötet wird, weg ist. Das wars. Oder hat man eine andere Metaphysik, dass man glaubt, dass, wenn ein Mensch getötet wird, die Seele, der Geist doch noch auf irgendeine Weise weiterlebt. Und wenn das der Fall wäre, dann bliebe noch eine zusätzliche Möglichkeit, die diese Seelen, diese Geister hütet. Und damit eben auch die Todesbegegnung im Krieg verändert. Das wären sicherlich Aspekte, die fände ich ganz wichtig zu durchdenken. Denn wäre das Modell einmal erfolgreich, diese unbewaffnete Armee, dann würde es Nachahmer finden. Es hätte auch einen Vorteil. Es wäre sehr günstig. Sie bräuchten auch keine Waffen. Oder wenn sie Waffen hätten, wären es ganz andere, Liebeswaffen. Sie würden also das, was hier fokussiert wird: Der Soldat der gegnerischen Armee kann schnell töten, kann effizient töten, aber er hat viele andere Fähigkeiten: Zärtlichkeit, Liebe, Achtung usw., die hat er verloren, schon im Vorfeld abtrainiert. Und genau da würde man ansetzen. Mir scheint das möglich zu sein, dass solch eine, ich nenne es mal ‚Armee der Liebe“, ‚Armee des Friedens‘ geben könnte. Das wäre so etwas wie die Blauhelme der [UN], die nicht bewaffnet sind. So etwas wäre das, allerdings zur Landesverteidigung.
Es kommt noch ein anderer Aspekt hinzu, der auch nicht unerheblich ist. Kultur hinterlässt Bauten, physische Spuren, sie materialisiert sich geradezu in Gebäuden, Stein, in Architektur. Und das ist auch sehr schön und ist auch haltbar, das überdauert die Jahrhunderte und die Jahrtausende. Aber im Krieg ist das durchaus ein Nachteil, weil jeder diese Bauten bewahren will, diese Steinbauten. Dann wäre auch zu überlegen, ob man nicht eine Kultur präferiert, die nicht auf dieser Ewigkeitsidee gründet, sondern eine Kultur, die eher das Wiederholungsprinzip stärkt. Das heißt also, ganz einfache Häuser baut, die nach ein paar Jahren abgerissen werden und werden können. Und da ist es auch nicht so schlimm, wenn im Krieg das Haus verlassen wird, das ist im Grunde genommen eine Art von Garage, eine Draperie. Hier in Japan ist das so ähnlich. Die ältesten Gebäude in Tōkyō, das ist vielleicht der Bahnhof von Tōkyō, das Universitätsgebäude. Es gibt ganz wenige Gebäude, die älter als hundert Jahre sind. Natürlich Tempel, Friedhöfe und so etwas. Aber wenn man sie die Bürotürme anschaut, die Wohnhäuser, da sind die wenigsten älter als fünfzig Jahre. Das heißt: Die Stadt wird in fünfzig Jahren auch wieder völlig anders aussehen. Und damit ist auch gegeben, dass, wenn es einmal ein Erdbeben gäbe, man nicht die Gebäude ganz verliert, weil man sie schneller aufbauen kann. Und so etwas wäre eine mögliche Gegenbewegung zum Krieg. Zum einen: Diese einfachen Häuser können verlassen werden, die können vernichtet werden, der Schaden ist nicht annähernd so groß wie bei einem Steinhaus oder bei einem Gebäude, das sehr alt ist. Man verzichtet auf sehr viel, klar. Aber die Möglichkeit dieses Moments, da will ich etwas verteidigen, die wird etwas abgemildert. Mir scheint diese metaphysische Grundhaltung der Armee sehr eindimensional und zu fokussiert zu sein. Sie geht immer davon aus, [dass] der Andere uns töten will. Und wir versuchen, in der Benutzung von Tötungsmaschinen und Waffen auszubilden. Und es wäre viel besser, zu fragen, viel komplizierter zu fragen, erstmal die Motive des Anderen zu verstehen, und dann die Defizite des Soldaten zu verstehen. Und genau dort anzusetzen: Wo ist da die Schwachstelle, wenn jemand so zum Soldaten wird? Und in diesem Sinne kämpft [man] mit den Schwächen des Anderen. Und sich nicht auf solch eine ‚Spielregel‘ einigt, der eine und der andere kauft Waffen und entwickelt sie. Man sollte es nicht unterschätzen, [diesen] gewaltlosen Widerstand oder die Möglichkeit, dass große Teile ins Exil gehen und von dort aus Widerstand leisten. Das sind alles Momente, wo man die Einsinnigkeit und Engführung des Krieges aufbrechen müsste. Dass man sagt: Man entwickelt kein Kriegsgerät, man richtet die Lebensläufe nicht zu, man drillt die Menschen nicht. Im Gegenteil: Der Soldat wäre einer, oder die, sein Leben für die Gemeinschaft bereit ist zu geben, aus gutem Grund. Nicht aus dem Grund: Du bist ein Repräsentant des Staates, sondern weil er für diese bestimmte Gemeinschaft steht. Das könnte man in der Schule lehren. Man müsste sich überhaupt fragen. Ich bin kein Anhänger dieser mimetischen Theorie der Medien. Wenn man zum Beispiel einen Film über den Krieg sieht, dass man dann kriegerisch wird. Aber andererseits diese Kriegsbilder, die man sieht, die präfigurieren unsere Phantasie. Dagegen ist erstmal nichts zu sagen. Ich finde, man soll alles darstellen dürfen. Aber man sollte auch genauso mal Friedlichkeit darstellen dürfen. Menschen, denen es gut geht, die glücklich sind. Also nicht nur diese Konflikte darstellen, sondern schöne Momente und wie kann man glücklich werden? So etwas. Dazu würde dann auch gehören, dass man Darstellungsformen findet für einen Krieg, bei dem man nicht kämpft. Gegenwehr durch Liebe, durch Friedlichkeit, durch einen gewaltlosen Widerstand. Man sollte das nicht unterschätzen. Natürlich wird jeder einem vorwerfen: Aber die Soldaten, die sind doch in so großer Zahl gestorben! Das wären sie auch in anderer Weise, sogar noch mehr, wahrscheinlich. Aber wenn Einer stirbt und hat den Anderen nicht getötet, ist er in der Auffassung der Menschen, da steht er höher. Das ist ein entscheidender Moment, Gandhi, Martin Luther King, solche Menschen.
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2022.03.13

Andreas de Bruins Vortrag ist online!

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2022.03.10

Darkness ダーク, der neue Song von KACHIMIZU Fuko 火地水 風子

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2022.03.09

Sven Väths neuer Song

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Zeitraffer-Filmer Bernd Pröschold spricht über seine Arbeit

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2022.03.08

Auflösung eines Salzkristalls in Wasser. Mein neuer Dokumentarfilm ist online!

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U2 Pride. In the Name of Love. Making of.

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Das Fremde, Undenkbarkeiten, Stratifizierung des Denkens durch die Religion. Improvisierter Kurzvortrag in Stream of Consciousness-Technik

Gefühle als reziproke Spiegelungen des Anderen, die somatisch erlebt werden. Dass der Andere mich begrüßt, erweckt Freude in mir. Ich kann mich davor nicht schützen. Es ist erst nachträglich möglich, darüber zu reflektieren, etwa bei der Verhinderung von negativen Gefühlen (falls mich der Andere nicht grüßt). Es gibt fundamentale Aspekte des Fühlens, die nicht äußerlich sind. Wir begegnen Menschen, sind in einem sozialen Feld, dann springen die Gefühle umher. Man lacht, diskutiert, nimmt wahr, wie der Andere fühlt, thematisiert das. Das sind Spiele mit Gefühlen, die in jeder Begenung statthaben. Es gibt das Fremde im Denken, das Undenkbare. Wenn eine bestimmte Ordnung mir zeigt, dass ich das nicht denken kann, dass das für mich undenkbar ist, entstehen entweder negative Gefühle, ein Anspruch, das zu verstehen oder ich bin tolerant. Ein Beispiel: In einer Gesellschaft hat man sich darauf geeinigt, nur Pflanzen zu essen, also vegetarisch zu leben. In einer anderen Gesellschaft ist man viel Fleisch. Man kann nicht umhin, als das als Ausdruck einer Denkordnung zu verstehen, eine metaphysische Prämisse, die Entscheidung geht zurück auf einen Sinn. Wenn das eine andere Kultur ist, ist man tolerant. Aber was passiert bei Mischungen? Bei sind per Überzeugung dieser Meinung. Es gibt in beiden Fällen eine richtige Erzählung und Fundierung des Verhaltens. Der eine versteht den anderen nicht. Das sind Momente, wenn man nicht bereit ist, den Anderen zu verstehen, nach Urgründen zu fahnden, wird man leicht negative Gefühle haben. Man hat sie nicht erst, wenn der Andere vor eigenen Augen isst. Man hat von beiden Seiten das Gefühl: Das gehört nicht in meine Denkordnung, das ist mir fremd. Bei Prämissen gibt es schwer die Lösung durch Versöhnung. Man muss eine Regel finden, die beide Seiten akzeptieren. Das Negative entsteht nur aus dem Denken heraus. Der eine ist vom anderen irritiert, obwohl der Andere nichts gemacht hat, vielleicht nur ausgesprochen hat, wie er lebt. Beide Seiten können natürlich auch das Essen geheimhalten, nie darüber sprechen, dann entsteht auch kein Konflikt. Es diffundiert und betrifft aber auch andere Lebensbereiche. Wenn man sieht, dass das auch die Geschichte betreffen kann, dass eine geschichtliche Auffassung gelegt wird, dann merkt man, wie schwierig die Vermittlung der kulturelweltlichen Ordnung ist. Husserl spricht von einer Kulturwelt und einer Umwelt. Umwelt ist meine konkrete Umgebung, die kann ich wechseln, ich kann reisen. Ich ignoriere aber, etwa touristisch, die Kulturwelten, genieße touristische Zonen, Museen etc. Etwas anderes ist es, wenn ich versuche, in die Kulturwelt hineinzugehen. Es ist schwierig zu sagen, was Kulturwelt ist. Man kann sagen, wie sie ist. Sie konstituiert sich durch Sprache, den Umgang mit Bildern, Essenspraxen, kultureller und religiöser Art. Es gibt eine geglaubte Ordnung, eine Stratifizierung. Diese ist eine konkurrierende Deutung auch innerhalb der Kulturwelt. Wenn man die Kulturwelten nimmt, dann gibt es Unterschiede, aber auch innerhalb der Kulturen. Man kommt schnell in Gefühlsbereiche, nur durch Äußerungen über die Kulturwelt, wenn man seine eigene Praxis expliziert. Man kann tolerant sein, alles beruht auf Anerkennung und Achtung des Anderen. Bei dem kulturweltlichen Spiel gewinnt normalerweise jeder, aber es können Konflikte entstehen. Und dann kommt hinzu, dass diese gefühlsmäßige Stimmung auch eingeht in den Staats-Leviathan, weil sich der Präsident in das Staatswesen hineinlebt, er übernimmt kulturweltliche Prämissen. Das wird in die Abstraktion gehoben, als sei es ein Gegenstand, Nationaltugenden, die man in Schulen unterrichten könne. Die oberste Stelle idealisiert, durchpulst, expliziert Kulturwelt. Es entstehen explizite Ordnungen, die aber vorgeprägt, passiv schon vorhanden sind. Man nimmt sie nicht wahr, weil man nicht auf sie achtet, aus ihr heraus fühlt. Die Kulturwelt markiert die Grenzen des Denkens. Je nach Kulturwelt ist es anders, ob man es als schön empfindet, die Kulturwelt zu überschreiten, oder ob man Angst davor hat. Es geht also um die Übersetzung von Denkhorizonten. Dadurch können Kriege entstehen, wenn der Glaube vermittelt wird, es wäre ein Zeichen der Schwäche, wenn man den Anderen verstehen will. Dann denkt man substantialistisch. Man sollte sich aber in den Anderen hineinversetzen, so probieren zu leben wie der Andere, über seinen Schatten springen. Da wird es aber schwierig. Da kommen Momente hinein: Da bin ich nicht bereit zu, da fühle ich mich fehl am Platze. Das ist mit der Denkordnung eine Gefühlsordnung. Diese Kopplung kann schwer überwunden werden und ist beim Staatsrepräsentanten nochmal stärker. Religion hat die Funktion, das Feld abzustecken, die Prämissen vorzusortieren, den Horizont der Horizonte festzulegen. Die Religion bestimmt, was kulturweltlich möglich ist. Das können zunächst Geschichten sein. Glaube bedeutet Festlegung auf behauptete Ordnung. Diese kann ganz weit sein. Sie bezieht sich auf Leben und Tod, ist eine universelle Ordnung. Sie beansprucht auch das Fundament von Staatlichkeit zu sein. Sie ist es. Sie ist universell, hat die mögliche Ordnung vor dem Staat gestiftet. So entstehen Schachtelungen. Religion prägt Kulturwelt vor, damit die Gedanken und damit die Gefühlswelt. Sie legt auch fest, wo ich mich unwohl fühle, wenn meine Denkordnung überschritten wird. Das reicht sich weiter in die Staatlichkeit. Alles ist ein Horizont. Da entstehen komplexe und tolerante Felder. Irgendwann gibt es einen Auslöser, dann kann das Ganze, was eine inexplizite Gedankenordnung war, ins Explizite kippen, materialisieren und zu einer eingeforderten Ordnung werden. Vorher war das diffus. Auf einmal ist die Ordnung da: So wollen wir leben. Ihr gehört dazu, ihr gehört nicht dazu. Das Leben wird zu einem Objekt. Es entsteht ein Muster von Freund und Feind. Das, was vorher ideell da war, aber es war tolerierbar, man merkte es mitunter nicht. Untolerierbar wird es nur dadurch, dass man die Kulturwelt nach außen stülpt, als wäre das eine Maschine, ein Gestell. Das ist natürlich verquert, denn Kultur ist immer schöpferisch. Das Schöpferische wird aber zurechtgeschnitten auf ein rohes, starres Muster, das man expliziert. Dann haben wir den Konflikt. Der Konflikt ist nur zu lösen, indem man zurückgeht auf die gedankliche Überschreitung. Was war vorher? Welche Punkte waren idelle Auslöser? Man muss dann wieder gemeinsame Geschichten finden. Das ist aber kein schneller Prozess. Die Feindschaften, die durch die Explikation entstanden, müssen überwunden werden. Vorher wäre das alles gedanklich leicht möglich gewesen, die Grenzen auszuloten, und gedankliche Brücken zu bauen. Jetzt ist das viel schwieriger, aber immer möglich. Denn das Physische ist nicht der Konflikt, sondern nur der Austragungsort. Ursprünglich ist der Konflikt eine Prämisse des Denken. Etwas, was man als undenkbar annimmt. Da fühle ich mich unwohl. Und man muss dann fragen: Warum fühlst Du Dich unwohl? Wie können wir gemeinsame Praxen finden, dass Dein Unwohlsein gemildert wird? Wir wollen als Menschengemeinschaft versuchen, die kulturweltlichen Ordnungen zu erstehen. Das ist die Charta der Menschheit. Wir haben eine planetare Gemeinschaft, die einen Urquell verschiedene Ordnung hervorgebracht hat. Wir nehmen die Herausforderung an. Die Kulturen sind bereit, es kennenzulernen und sich zu verändern, damit es als Unterscheidung innerhalb jeder Kultur eingeht. Damit wären Konflikte in Zukunft verhindert. Der Konflikt Russland-Ukraine kann nur gelöst werden, indem man zurückgeht auf das Unwohlsein, das sich nun in Feindschaft auswirkt, und danach fragt, wo es begann.

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Tagesthemen 2013/2014 zur Ukraine

Beitritt der Ukraine zur EU, Tagesthemen 21.11.2013

Machtkampf in der Ukraine, Tagesthemen, 9.12.2013

Machtkampf in der Ukraine, Tagesthemen, 11.12.2013

Krise in der Ukraine, 3.3.2014

»Nur Gewalt im Angebot«. Vinzenz Hedigers Analyse der russischen Wirtschaft in der FAZ

Vinzenz Hediger, Professor für Filmwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, analysiert die Irrwege der russischen Wirtschaft in der FAZ sehr klar:
»Die Verteilung der Wertschöpfung entlang dieser Ketten verläuft in einer u-förmigen Kurve. Am höchsten sind die Profite am Anfang bei Entwicklung und Design und am Ende im Verkauf, am niedrigsten in der Mitte bei der Produktion - man denke an Entwicklung, Herstellung und Verkauf eines iPhones. Worauf es in der globalisierten Wirtschaft ankommt, ist die Entwicklung und Kontrolle von ›brands‹, von globalen Marken etwa für technologisch anspruchsvolle Konsumprodukte. [...] Nichts Vergleichbares passierte in Russland. Als Billiglohn-Produktionsstandort fiel Russland aus geographischen Gründen aus. Globale Wertschöpfungsketten basieren auf Containerlogistik auf dem Seeweg, und zu Russlands Lageproblemen zählt seit je der Mangel an permanent eisfreien Häfen. Überlandtransporte sind aufgrund großer Distanzen und schlechter Infrastruktur teuer. So positionierte sich Russland nach dem Kalten Krieg nicht als eine der Fabriken der Welt, sondern als eine ihrer Tankstellen. Aber statt die Erlöse aus dem Rohstoffhandel zu verteilen oder in Technologien mit Entwicklungsprotential zu investieren, gaben die neuen Eigentümer des Landes, die Oligarchen, ihr Geld für ostentativen Konsum und teure Luxusgüter aus: Fußballclubs, Yachten, Liegenschaften in London, am Mittelmeer, in Dubai, New York oder Miami. Die weniger Vermögenden ahmten sie darin nach.« (Vinzenz Hediger: Nur Gewalt im Angebot, FAZ, 7.3.2022, S. 11)
Man könnte an diese Überlegungen anschließend noch fragen, warum dieser Fehler so universell und offenen Auges begangen wurde. Aber die Vorgänge werden durch diese Analyse sichtbar, auch deren groteske Effekte in den sozialen Netzwerken. Ein Foto des Artikels zeigt etwa, wie ein Mann einen Apple mit einem Hammer zerstört, während ein anderer seinen Wutausbruch mit einem iPhone filmt. Wenn die russische Wirtschaft aber nichts als Gewalt im Angebot hat, wie kann man sie locken, etwas zu entwickeln? Will man Mangelware kaufen, um zu zeigen, dass man die Menschen ebenso wertschätzt? Man kann keinem Oligarchen verbieten, sein Vermögen zu verprassen. Und was könnten diese Menschen Gutes tun mit ihrem Geld?
Mich erinnert das an Kinder, die, wenn sie etwas nicht verstehen oder neidisch sind auf das, was andere durch Geduld sich erarbeiteten, deren Werke mutwillig zerstören, weil sie sich für ihre eigene Unfähigkeit schämen. Man kann in der Erziehung dann zwei Strategien verfolgen: Es durch Einhalt und Gegengewalt verbieten oder sie machen lassen und dann die eigene Überlegenheit demonstrieren, indem man dem Kind ruhig aber bestimmt zu verstehen gibt, dass es dadurch nichts gewonnen hat. Nur ist dieses Appelieren an die Einsicht in diesem Fall sehr schwierig, weil es um Millionen von Menschenleben geht.

2022.03.07

Interessanter Blog der FAZ über die Gefahr einer Kernschmelze, eines Super-GAUS in der Ukraine

Andreas Krobok (FAZ): Sorge vor Nuklearkatastrophe: ›Nur ein Irrer feuert Raketen auf Atomkraftwerke‹ [Link]

Wichtige Artikel über die Ukraine-Krise in Der Freitag

Anatol Lieven: »Wie würde ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland aussehen? Moskau/Kiew So schrecklich dieser Krieg auch wütet, die Frage nach den Bedingungen für sein möglichst schnelles Ende ist unausweichlich – auch wenn die dafür nötigen Vorschläge als ›Belohnung für die russische Aggression‹ angeprangert werden.« [Link]
Jakob Augstein: »›Von Grosny blieb nichts. Das droht nun der Ukraine‹. Interview Osteuropa-Historiker Karl Schlögel war vom Angriff auf die Ukraine überrascht. Jakob Augstein hat er erklärt, warum er Wladimir Putin für einen Imperialisten hält. Und wieso er jetzt noch nicht über den Ausgang des Krieges nachdenken will.« [Link]
Lutz Herden: »Russland wird nicht verschwinden. Ukraine. Dieser Krieg ist zu sehen, zu ahnen, zu fürchten – denn er findet in einem Teil Europas statt. Das darf den Blick auf seine Vorgeschichte und die Rolle des Westens nicht vollends verstellen, soll es eine Perspektive für die Zukunft geben.« [Link]
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Pressegespräch am 3. März mit dem russ. Außenminister Sergej Lawrow


Dieses Video zeigt die Sprachlosigkeit, die es derzeit gibt. Scheinbar gibt es nichts zu sagen, wo doch so viel zu besprechen wäre. Beide Seiten sprechen aus anderen Sphären heraus. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn die Journalisten gar keine direkten Fragen zum Krieg gestellt hätten. Man hätte vielleicht folgende Fragen stellen können: »Herr Lawrow, wo war der Punkt, an dem der Krieg für Sie begann? Welchem Politiker würden Sie am meisten vertrauen, wenn es um einen Friedensschluss ginge?« Der Glaube, die Präsenz bestimme das Geschehen, trügt ohnehin.

2022.03.06

Wie denkt der Staat, das Meta-Wesen, der ›Leviathan‹?

Wenn Menschen in Leitungspositionen kommen, etwa wenn ein Politiker zum Präsident wird, dann verändert diese Position den Menschen. Das kommt dadurch zustande, dass er/sie zu einem aktiven Repräsentanten des Staates wird. Nur hat der Staat andere Eigenschaften als der Mensch: Der Staat erinnert anders, er erinnert über Verträge, Abkommen, das ist seine Geschichte der Verträge. Darin schattet sich die Weise des Denkens und Fühlens des Staats-Leviathans ab, das ist aber überindividuell. Da geht es etwa um territoriale Ansprüche etc. Der Politiker muss sich in dieses imaginierte Meta-Wesen Staat hineinversetzen, ist beleidigt, wenn ein anderer Staat ›sein‹ Territorium beansprucht.
Wie aber fühlen Staaten, wie denken sie? Die Bedeutung, was ein Vertrag ist, ist zwischen den Staaten unterschiedlich, es entstehen bereits dadurch Konfliktfelder. Der Politiker kann sich dazu die einzelnen Verträge nicht merken, versetzt sich aber in den Geist des Staates hinein, der sie schloss, in diese Abstraktion. Er entfernt sich dadurch von der Alltagsgeschichte, die Abstraktion ist für ihn das Wichtigste. Der Politiker stiftet einen Sinn, bewegt sich in den abstrakten Denkformen, die der Staat darstellt und die er selbst generiert, wenn er Gesetze erlässt. Diese Identifikation mit dem Meta-Wesen Staat wird ihm durch Privilegien erleichtert, er hat Mitarbeiter, kann fliegen etc., bekommt regelrecht neue Fähigkeiten, eine Ausstattung. Er mutiert zum physischen Leib des Leviathans, verkörpert den Staat in seiner Person. Der Politiker agiert den Staat aus, er spielt in seinen eigenen Gefühlen die Abstraktion durch, ist durchdrungen von ihr. Nur so kann man das Verhalten, die Reden des Politikers erklären.
Wie diese Verkörperung geschieht, hängt sehr mit der Auffassung von Staatlichkeit zusammen. Demokratische Staaten sind reflexiver, autokratische setzen diese Rollen mehr ineins, aber es geht immer darum, eine Abstraktion zu verkörpern. Es gibt auch unterschiedliche kulturelle Auffassungsformen, etwa durch die Zen-Meditation, den Konfuzianismus etc. wird der Einzelne auf diese Rolle anders vorbereitet.
Woher kommt der Krieg Russland-Ukraine? Es gibt hier offenbar zwei unterschiedliche Weisen des Verkörperns des Staates. Putin vertritt eine Weltanschauung, die bereits untergegangen schien. Aber er spricht aus der historischen Abstraktion heraus, wenn er seinen abstrakt-geschichtlichen Staat restituieren will, er handelt auch aus der Abstraktion. Da sind ihm die Menschen unwichtig. Im Westen hat der Staat immer Gegenpole, etwa in der Kultur, etc. Man würde solch ein Modell als anachronistisch verstehen.
Im Gegensatz dazu Selenskij, der als Mensch auftritt und diese Rolle des Staates immer konkret rückbindet, im Tshirt vor dem EU-Parlament auftritt. Putin kämpft mit der Armee, der Westen reagiert viel reflektierter durch Sanktionen und Boykott. Das sind unterschiedliche Weisen der Kriegführung. Die Kriegführung des Westens ist sicherlich treffender, reflexiver, intelligenter, passgenauer, tötet weniger Menschen, aber es dauert, bis sie wirkt. Putin rechnete nicht mit dem Gegenpolitiker Selenskij und auch nicht mit der reflexiven Antwort. Putins Idee ist, wie ein Heiliger, die Abstraktion in die Realität zu überführen. Selenskij ist ein Anti-Leviathan, Putins Abstraktionen gelten für ihn nicht. Er akzeptiert das Modell Putins nicht. Eine Verhandlung ist daher schwierig, weil die Denkebenen, die Konfrontation sich in unterschiedlichen Welten vollzieht. Es ist ein Projekt, diese disparaten Denkformen ernsthaft und geduldig zu vermitteln. Das muss denkerisch gelöst werden. Das Friedensabkommen ist dann der Beginn, die Prämissen der Denkweisen ernsthaft zu verstehen.

2022.03.05

Neil Young Live


Neuer Film Pantoffeltierchen online!

Mein neuer Film ist jetzt online.

2022.03.04

Über die Zähmung des Meta-Wesens Staat. Improvisierter Kurzvortrag

Marxens Gesamtarbeiter. Wenn Menschen in einem Verbund zusammengeschlossen sind, agieren sie wie ein Gebilde. Dieser Zusammenschluss lässt sich nicht mehr so leicht steuern und lenken. Natürlich stehen Menschen an der Spitze, aber sie sind nur Repräsentanten, sie fungieren als Sprachrohr der Institution, bestimmen sie nicht. Bundeskanzler, Präsidenten haben nicht nur die Funktion, das Amt auszuüben. Sie sind in eine Stelle gebracht, die sie zu dem macht, was sie ausüben, sie wurden zur Funktion. Auf einmal ist das Verhalten anders. Russland beansprucht das Territorium für sich, kämpft aber doch gegen seine eigenen Leute, in der eigenen Argumentation. Warum passiert das? Die Institutionen haben solch eine Komplexität entwickelt, dass sie eine eigene Gefühls- und Gedankenwelt ersonnen haben. Da ist ein eigenes Wesen entstanden, ein Staatswesen, Leviathan. Das Wesen hat keine Gefühle. Und der, der in der obersten Position ist, darf seine Gefühle nicht zeigen. Beispiel des Strafszettels. Der Verkehrspolizist zeigt keine Gefühlsreaktion, er ist nur Ausführender staatlicher Vorgabe. Staaten haben Regeln und setzen diese durch. Staaten haben kein Sensorium für die negativen Gefühle, die durch ihr Handeln entsteht. Der Bundeskanzler, Präsident wird zu diesem Meta-Wesen, das keine Gefühle äußern darf. Er muss so handeln, wie es seine Funktionslogik vorschreibt. Es entstehen mehrere Wesen: Staat, Armee, Technik. Der Krieg, das Primitivste, der eine tötet den anderen, wird mit höchster technologischer Finesse geführt. Infrastruktur ist sensibel, Atomraketen, Atomreaktor. Es gibt keine Rücksicht dafür, was da passiert. Armee hat Auftrag, das Territorium einzunehmen. Sie hat für die Frage, wie man ein Atomkraftwerk einnimmt, keine Antwort parat. Ihre Logik heißt: Ich besetze ein Territorium und kämpfe. Im besten Fall würde ein General seine Autorität einsetzen, um Fehlentscheidungen zu verhindern. Aber er würde sein Leben dadurch aufs Spiel setzen, wie ein Widerständler wirken. Putin hat das befohlen, das ist eine sehr verkürzte Sichtweise. Putin ist nur Repräsentant des Meta-Wesens. Man kann nur antworten, indem man den Staatswesen, Hyperwesen das Fühlen beibringt. Man muss ihm Responsivität beibringen, ist das richtig, schädige ich anderen, führt das zu negativen Gefühlen, auch bei anderen Staaten. Es müsste Zweit-, Dritt-, Viertordnungen geben, auf die man ausweichen kann. Das eigentümliche des Wesens ist, dass es lange schläft und dann plötzlich aufwacht. Das gab es 1914, 1939, 2001, wir haben das schon ein paar Mal erlebt. Aber 2001 betraf Europa wenig, vor allem durch Anschläge, Flüchtlingsströme. Aber jetzt sehen wir das Erwachens des Leviathans auf dem eigenen Kontinent. Welche Menschen sind so mächtig, dass sie es in der jetzigen Situation schaffen, diesem Mechanismus, den der Leviathan losgetreten hat, Einhalt zu gebieten? Sie werden ihre Entscheidungen wahrscheinlich mit dem Leben bezahlen. Merkwürdig ist, dass das Wesen Staat nichts tut, wenn es die Möglichkeit hat, etwas Gutes zu tun. Die Arbeitslosigkeit kann steigen, Hungernöte, kein Industrieland nimmt vergleichsweise Vermögen in die Hand, um Positives zu machen. Stattdessen lässt man es schlafen, lässt das die Menschen privat ausgleichen, individuell in der Familie. Aber im Krieg wird mit blitzschneller Geschwindigkeit ungeheures Vermögen freigemacht. Man müsste das dem Staat beibringen: Tue Gutes, damit wir Vertrauen in dich haben! Du kannst mehr. Man müsste Mechanismen einbauen, die das Einschnappen im Krieg verhindern. Ein reflexiver Mechanismus wäre ganz wichtig. Dazu kommt die Technik. Der Krieg als primitivste Verhaltensweise und gleichzeitig als technlogisch hochgerüstetste. Woher kommt das? Auch die Technik ist ja wesentlich ökonomisch, staatlich. Es gibt den Menschengeist, der das zunächst ersinnt, mathematisch, philosophisch. Das ist ein friedlicher Prozess. Aber mit diesen Formen, Beschreibungen und Begriffen beherrscht man Kräfte. Es geht um Kräftebeherrschung: Die Kraft des Atoms möchte man nutzen, man entfesselt Kräfte, Atomwaffen, Atomraketen. Um diese Kräfte zu entfesseln, muss sich ein industrielle Komplex anschließen, der das Gedankengebilde übersetzt in andere, einfachere Gedanken und dann Stück für Stück praktisch werden lässt. E=mc2 ist zunächst abstrakt. Aber wen man das industriell zerlegt, wie in Palo Alto, dann konkretisiert, dann kann man aus der gedanklichen Beherrschung eine gedankliche Beherrschung machen. Die materielle Beherrschung ist keine wirkliche, sie ist nicht elegant und auch nicht differenziert. Mit höchstem Aufwand kann man die Energie nur für kurze Zeit nutzen, es ist gefährlich und es entstehen gefährliche Reste. Der Mensch hat nicht die Fähigkeit, aus dieser Formel etwas ihm Gemäßes zu machen. Er kann die Formel nur rudimentär in die Praxis umsetzen. Man vergleiche den Flug eines Vogels mit einem Flugzeug, welchen Lärm es macht, wie viel Abgase es produziert, wie grob und gigantisch es ist. Technisch hat das etwas Primitives im schlechtesten Sinne. Das ist schlechter als die Natur! Auch die Atomkraftwerke, man merkt, dass das ein gefährlicher Ort ist. Die Energie, die die Natur beherrschen soll, was aber nur in einem Aspekt gelingt. Der Staats-Leviathan birgt Gefahren, wenn sich diese Komplexe zusammenfügen. Natürlich könnte man sagen: Es gab doch keinen Anlass für diesen Krieg! Aber den gab es nie. Wie kann man damit umgehen? Wie kann man dem Staats-Leviathan das beibringen? Der Staat muss als Repräsentationsordnung in seiner Machtbefugnis eingeschränkt werden. Es ist das eine, wenn ich Menschen Waffen gebe, um sich zu verteidigen. Etwas ganz anderes ist es, wenn ein Staat eine Armee hat, die den Staat verteidigt. Sie agiert im Namen und auf Befehl des Staates. Kant stand dem stehenden Heer skeptisch gebenüber. Das ist richtig. Dieses Leid, das die Staaten einander zugefügt haben, ist unermesslich groß, kann weltvernichtend sein. Günther Anders hat das schon sehr klar gesehen. Wir müssen vernünftig werden! Was könnte man mit diesem Geld Gutes tun! Wie verstehen wir dieses Wesen? Natürlich kann man es als Verwaltungsarbeit beschreiben. Aber ich meine, man muss es als Wesen verstehen, als Meta-Akteur. Welches Denken ist es, das sich da exmeplarisch im Präsidenten, im Kanzler zeigt? Wo beginnt die Transformation des Menschen hin zum Staats-Repräsentanten. Wie bringen wir Augenmaß hinein? Ich drücke ein Auge zu, aber ohne, dass das als Bestechung gilt. Es ist Differenzierung. Offenbar verwandeln sich die Menschen, sobald sie den Amtseid ablegen, bemächtigt sich ihrer eine Transformation. Sie verwandeln sich innerlich vollkommen, ohne dass sie es wollen. Wenige Tage später ist ein SPD-Mann dafür, 100 Milliarden für die Armee auszugeben. Er sagt dies mit einer Überzeugungskraft und Genugtuung, dass das möglich ist. Hätte man ihm das als Szenario vor fünf Jahren vorgelegt, hätte er das nie geglaubt. Diese Transformation ist wie ein Fluch. Diejenigen, die das nicht mitmachen, fliegen heraus. Wieso lassen diese Menschen das zu, dass mit ihrer ganzen Lebenshaltung diese Umpolung geschieht? Bei Putin vollzieht sich dieser Prozess seit mehr als 20 Jahren. Wie hat das Staatswesen, das Leviathan-Wesen die in ihren fungierenden verändert? Das kann doch der Mensch niemals gewollt haben! Er hat es trotzdem gemacht. Das ist ein Kontinuum, aber es gibt Phasen der Beschleunigung. Man müsste biographisch ansetzen: Wie hat das Amt den Menschen verändert? Wie kann man es schaffen, seine Menschlichkeit zu behalten? Gibt es ein Pharmakon gegen diese Transormation? Es gab in den 1970er/1980er Jahren einen Politikertypus, der durch seine gefestigte Persönlichkeit das Wesen zähmt. Diese Generation ist im Krieg, in der Nachkriegszeit aufgewachsen, sie hatten eine Todeserfahrung. Dieser eine Mechanismus, dass man den Amtsträgern institutionell droht, du wirst deines Amtes enthoben, wenn du das nicht machst, diese Drohung wirkt nicht mehr. Dieser Mensch hat viel Schlimmeres schon erlebt. Es ist eine ruhige Entschlossenheit, diese Tugend bräuchten wir wieder. Wenn ich in dem Amt bin, handle ich so, wie ich als Mensch handele. Ich will niemanden töten und befehle das auch als Staatsoberhaupt niemals. Dem Staat Gefühle beibringen. Schauen, wie das Amt den Menschen verändert. Reflexionszonen, Gegenpole schaffen. Das ist das zentrale Moment im 21. Jahrhundert, um die Menschheit zu sichern. Der Staat innerviert heute durch seine Infrastruktur alles, auch die Privatsphäre, die früher geschützt war. Das ist im Zeitalter des Internets nicht mehr der Fall. Jeder ist Teil einer staatlichen Infrastruktur. Daher hat der Staat eine unglaubliche Macht. Er beeinflusst das Äußere und das Innere. Wie müssen uns sehr schnell, sehr tief und sehr gründlich überlegen, wie man den Staat zähmen kann. Man muss den Menschen mehr Autonomie geben, Gefühlshoheit, sie merken doch, haben ein Sensorium, was da mit ihnen geschieht. Sie müssen die Mittel haben, dieses Sensorium positiv in die Realität einfließen lassen. Heute fordert man Bekenntnisse gegen Putin. Das ist moralisch richtig, aber es hilft nicht, den Konflikt zu lösen. Sie könnten doch helfen, Putin klar zu machen, dass sich sein Wesen durch den Staat faustisch verändert hat. Wir helfen wir, dass du wieder zurückkommst in die Menschenwelt. Du bist Wladimir Putin, ein Mensch! Man sah solche Fälle der Transformation bei allen Kriegen. Nur gab es früher eine Trägheit des Staates, er hatte begrenzte Mittel. Aber die heutigen Mittel sind derart umfassend, dass dieses Projekt unbedingt erfolgreich sein muss. Die Gedanken- und Gefühlswelt muss geschützt werden vor der Agenda des Staates, die wir nicht mehr verstehen. Das erinnert mich an HAL bei 2001. A Space Odyssey. Das erleben wir konkret an Entscheidungen von Staatlichkeit. Ein Wesen verselbständigt sich. Wir müssen mäßigend einwirken. Diesen Lernprozess muss die Menschheit durchmachen. Alle müssen mithelfen.
[mp3]

Atomkraftwerk bei Saporischja unter Beschuss


Gerade meldet die Süddeutsche Zeitung [Link], dass das Atomkraftwerg nahe der Großstadt Saporischja unter Beschuss steht.

2022.03.03

Schachmeister Garry Kasparov und Wladimir Kaminer über die Ukraine-Krise

Immanuel Kants Zum ewigen Frieden und Anna Netrebkos ausbleibendes Bekenntnis

Wieder einmal lese ich Immanuel Kant in Zeiten der Krise. Er schreibt in Zum ewigen Frieden im Jahr 1795: »Denn irgend ein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes muß mitten im Kriege noch übrig bleiben, weil sonst auch kein Friede abgeschlossen werden könnte, und die Feindseligkeit in einen Ausrottungskrieg (bellum internecinum) ausschlagen würde« [Link]. Dieses Bewusstsein vermisse ich bei den gegenwärtigen Politikerinnen und Politikern leider, stattdessen nehme ich eine hyperemphatische Haltung wahr, die glaubt, den Ukraine-Konflikt durch Geschlossenheit, eingeforderte und uneingeforderte Bekenntnisse, einer mit Verve vorgetragenen verbalen Moralisierung, Sanktionen und Waffenlieferungen lösen zu können, so als ginge es im Konflikt allein darum, den Feind eindeutig zu bestimmen und dies öffentlich zu verkünden. Gerade lese ich auf Tagesschau.de: »Weil sich die russische Opernsängerin Anna Netrebko nach Ansicht ihrer Kritiker nicht eindeutig vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert, steht auch ihr nächster großer Auftritt in Stuttgart auf der Kippe. Solange sich die Russin nicht ›glaubwürdig‹ äußere, werde sie im September nicht im Ehrenhof des Neuen Schlosses singen, sagte Landesfinanzminister Danyal Bayaz (Grüne) den ›Stuttgarter Nachrichten‹ und der ›Stuttgarter Zeitung‹. ›Wer sich nicht vollständig von einem brutalen Kriegstreiber lossagt, hat bei uns in Stuttgart keinen Platz‹, sagte er weiter. ›Halbherzige Distanzierungen‹ seien nicht ausreichend. [...] Im vergangenen Jahr hatte die Sopranistin, die auch in Wien lebt, mit einer großen Gala im Kremlpalast in Moskau ihren 50. Geburtstag gefeiert.« [Link] Was wäre besser? Im Falle der Opernsängerin Netrebko würde ich sie Folgendes fragen: Wenn Du Putin so gut kennst, dass Du in seinem Palast singst, dann rufe ihn doch bitte an. Fliege hin, singe ihm seine Lieblingsarie vor und halte den Kontakt. Sage uns, wie dieser Mensch tickt und wie wir ihn verstehen können. Es ist unwahrscheinlich, dass es funktioniert, aber ist es ausgeschlossen? Stattdessen isoliert man diese Dame und bricht auch noch diesen Kontakt zu Putin ab!
Sanktionen sind richtig, aber mit einer Haltung, die gefühlsmäßig neutral (und dem Angreifer dadurch überlegen) ist, den Aggressor und sein Motiv aufrichtig verstehen will, bei all den Verbrechen sich nicht selbst zu sehr involviert, da sonst weitere tödliche Dynamiken entstehen können. Das ist das unmöglich Erscheinende, aber man muss es wagen.

2022.03.02

Reden zur Ukraine-Krise

Rede von Annalena Baerbock auf der Dringlichkeitssitzung der UN, 1.3.2022, im Wortlaut [Link]


Selenskyjs EU-Rede, 1.3.2022

Rede von Kommissionspräsidentin von der Leyen, 1.3.2022, im Wortlaut [Link]

Informationen und Reden im EU-Parlament [Link]
Kommentar
Die drei Reden beeindrucken nur im Hinblick auf die Resolutheit, Einheitlichkeit, Schnelligkeit (Leyen: »mit blitzschneller Geschwindigkeit«) und Entschiedenheit. Sie polarisieren und glauben, wenn Russland durch kollektive Sanktionen bekämpft wird, gäbe es klein bei. Das Gegenteil ist zu erwarten: Russland wird sich als isoliertes Land weiterhin unverstanden fühlen und mit mehr Gewalt antworten. Welche Form der Rede wäre in diesem Fall besser? Ich meine, eine Rede, die nicht verallgemeinert, sondern die differenziert, wäre hier besser. Eine Rede, die sich mit den Details beschäftigt, und zwar mit politischen Details, mit den Verästelungen, die zu dieser Kriegssituation führten, eine Rede, die nicht vom Jetzt ausgeht, sondern die Genese verstehen hilft. Eine Rede mit kühlem Kopf, die stattdessen den historischen Labyrinthen des Konflikts folgen würde. Es mag moralisch richtig sein, wenn Frau Baerbock Schuld zuweist. Es trägt aber nicht zu einer Lösung bei. Immanuel Kant spricht von einer »moralischen Apathie» als einer Tugend: »Die wahre Stärke der Tugend ist das Gemüth in Ruhe mit einer überlegten und festen Entschließung ihr Gesetz in Ausübung zu bringen.« [Link] (Dank an W.E. für den Hinweis!) Hat man das nicht aus dem Ersten Weltkrieg gelernt? Will man die Geschichte auf solch plumpe Weise wiederholen?

2022.03.01

Neil Diamond 1969/Elvis 1970 (in memoriam: Ricky KING)

Über physische und geistige Arbeit 10. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag. Über Gefühle und Gedanken

Gefühle sind somatisch aufgefasste Alteritätsverhältnisse. Ein Beispiel: Jemand begrüßt mich. Ich freue mich, habe es vielleicht erwartet, das ist ein Gefühl. Es ist nicht reines Denken, sondern somatisch aufgefasste Relation zum Anderen, Responsivität, sie drückt sich leiblich aus. Das Gefühl kann nahe am Denken sein. Das Gefühl ist aber immer diese Interrelation. Es kann kein unbewusstes Gefühl geben. Das Denken lässt sich nicht immer vom Gefühl scheiden. Ein weiteres Beispiel: Ich will einen Brief zur Post bringen, sie hat noch geöffnet. Das gibt mir ein ruhiges Gefühl. Wenn ich sehe, dass die Post vor meinen Augen schließt, bin ich irritiert, verärgert. Ich kann durch die Wahrnehmung und deren Weise meine Gefühle beeinflussen. Es hängt auch vom Temperament ab. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Wahrgenommene gefühlsmäßig zu erleben. Hier bin ich noch in einer freiwilligen Situation. Normalerweise gibt es Ansprüche an uns, Aufträge, Arbeit, die an uns herangetragen wird. Dann muss ich eine gewisse Kraft, Überwindung aufbringen, um mich dieser angeordneten Arbeit zu stellen. Es braucht eine Ausgleichshaltung, es entstehen negative Gefühle, weil ich nicht immer Interesse habe, die Arbeit auszuführen. Sie kollidieren mit meinem Willen. Aber ich kann das in der Arbeitssituation nicht äußern. Da kommen Färbungen und Gefühlsordnungen hinein. Und wenn dann noch etwas hinzukommt, wie ich will den Brief privat verschicken, ist das noch etwas anderes. Auch wenn der Brief dienstlich versandt werden soll. Wenn es dann nicht funktioniert, zeigt der Chef/die Chefin negative Gefühle. In diesen Koordinierungstätigkeiten identifizieren sich die Menschen mit der abstrakten Institution. Es ist eine Art Meta-Gedankenwesen, die Institution. Sie wird beliehen von dem Chef. Er fühlt seine Abstraktion, so wie das Wesen, gäbe es denn dieses, fühlen würde. Ein Chef hat zwei Mitarbeiter mit unterschiedlicher Meinung. Er muss vermitteln. Er muss beide Positionen kennen und in sich aufnehmen, als ob er beide überschauen würde. Und er hat Befugnisse, er steht in der Hierarchie höher. Er könnte alles autoritär entscheiden. Dann könnten aber Konflikte entstehen und Konfrontationen. Je nach Deutungsart gruppieren sich Gefühle des Chefs und jedes Menschen anders. Einerseits eine Frage des Temperaments, aber das darf heute nicht mehr gezeigt werden. Es wäretollpatschig, würde man sein Temperament zeigen, man muss sein Temperament transzendieren. Gleichzeitig kommt die Deutung hinzu. Je nach Deutung fühlt man anders. Welche Deutungen gibt es? Wie tickt jemand? Wie ist seine Weltdeutung? Aber sie ist nicht immer explizit. Dann würde man simulierbar. Es ist nicht einfach, welche Weltdeutung jemand hat und wie jemand fühlt. Beides wird nicht gezeigt, es entstehen verschleppte Konflikte, die aufbrechen, wenn man sieht, welche Weltdeutung jemand hat. Das lässt sich dann nicht mehr so leicht rückabwickeln durch Gespräche. Es kann sein, dass die eigene Weltdeutung eine andere Prämisse sein, etwa aus einer anderen Kulturwelt, aus unterschiedlichen Wichtungen von Prämissen. Das ist schwierig, weil das Denken und Fühlen auf anderen Prämissen beruht. Das scheint mir im Konflikt Ukraine-Russland der Fall zu sein. Da gibt es unterschiedliche Prämissen. Man könnte so erfahren, wie jemand fühlt. Gefühle sind für alle Lebewesen gleich. Aber durch ihre Deutung können sie verschoben werden. Es gibt Gedankengruppierungen, das kann bis zu einer Weltanschauung hin gehen, die aus zehntausenden von Gedanken sich wie ein Puzzlespiel zusammensetzt. Sie legt auch die Weise des Fühlens fest. So gibt es bei all denen, die eine gleiche Weltanschauung pflegen, eine Art Korpsgeist, eine gleiche Weise des Fühlens, also wie sie den Anderen somatisch erleben. Wenn das noch auf unterschiedlichen kulturellen Prämissen beruht, ist das schwierig, herauszufinden, was das bedeutet. Nehmen wir die Rezeption von Marxens Schriften in China. Wie will man das rekonstruieren? Ist das noch die gleiche Theorie, wenn es in unterschiedlichen Kulturen wandert? Man wichtet Theorien je nach Übersetzung anders, genauso die Marx-Rezeption in Russland. Da müsste man dran gehen. Nur dadurch, dass man sagt: Ihr habt verloren, ihr seid nicht mehr zeitgemäß, damit ist es nicht getan. Die Weltanschauung ist träge, fühlt sich beleidigt, hintergangen und kann nicht verstehen, was da passiert. Eine Weltanschauung ist gerade dabei, zu zerfallen. Das Reich ist zerfallen, wurde durch Putin stabil gehalten, aber die Weltanschauung ist nicht mehr in der Lage, das, was da passiert, zu verstehen. Das ist eine gefährliche Situation. Putin ist das Staatsoberhaupt in Europa, das am längsten an der Macht ist. Normalerweise gehen mit Regierungswechseln auch Prozesse des Vergessens einher. Das ist nicht nur schlecht, man vergisst auch frühere Konflikte. Und wenn jemand so lange an der Macht ist, hat er einen Überblick über die Dinge, so als ob sie einen Sinn hätten. Sie hatten vielleicht gar keinen Sinn. Aber jedenfalls ist kein anderer Politiker in der Lage, dem eine vergleichsweise kontinuierliche Erfahrung entgegenzustellen. Gedanken und Menschen. Gewisse Menschen haben Sachen durchdacht. Sich etwas zu durchdenken braucht Jahrzehnte. Das ist eine intellektuelle Reise, bei der man nie weiß, ob man ankommt oder angekommen ist. Geistige Gebilde müssen sich in Menschen realisieren. Es braucht eine Lebenskontinuität. Immer, wenn Politik auf weltanschauliche Weise Krieg führt, versucht sie auch die Gedanken durch die Menschen bekämpfen. Diese sind das lebendige Behältnis des Denkens, lebendige Bücher. Wenn man Bücher verbrennt, Menschen, die das Denken, wird das Denken verlangsamt und man macht Angst, das zu denken. Dieses Vorgehen muss geächtet werden. Niemand darf ausgeschaltet werden für das Denken. Es kann auch gefährliche Weltanschauungen geben. Aber wenn jemand nicht versucht, die Weltanschauung in die Realität umzusetzen, sollte man ihn als Mensch in Ruhe lassen, aber mit allen kritischen Argumenten beleuchten. Dann werden die Menschen sehen, dass die Weltanschauung falsch war. Es kann keine richtige Weltanschauung geben, weil keine einzige Perspektive auf die Welt wahr sein kann. Es ist immer eine Pluralität wichtig. Man sollte sich sehr frühzeitig mit Weltanschauungen auseinandersetzen, diese auseinanderlegen und fragen, warum die Menschen diese Weltanschauung wählen. Es ist auch eine Gefühlswelt, die sie wählen. Warum wird diese gewählt? Es geht darum, die Hoheit des Denkens zurückzugewinnen. Nur das Denken und das Sprechen können den Konflikt lösen. Keine Waffe kann ihn lösen. Wir brauchen verschiedene Formen des Übersetzens in Gedanken. Wir brauchen eine Fähigkeit, in Pluralitäten zu denken. Alexander Kluge nennt das Pluriversum. Wir leben in Pluriversen. Das zu vermitteln, das ist das Wichtigste. Was mich bedrückt, ist, dass die Politiker ganz schnell Handlungsoptionen entwickeln, wenn etwa 100 Milliarden ausgegeben werden für die Bundeswehr. Das verkennt den Ernst der Lage und die Weise der Lösung von Konflikten. Weder hat Putin etwas gewonnen, wenn er die Ukraine ruiniert und erobert hat, noch sollte ein Territorium unter solchen Menschenopfern verteidigt werden. Viel wichtiger als die Drohkulisse ist das Gespräch im Hintergrund, mit den Entscheidungsträgern Kontakt zu halten. Es kann nicht sein, dass sie alle abgedriftet sind. Von der Leyen bietet Mitgliedschaft in EU an, aber das hilft nichts. Das ist fast schon trotzig eine Erwiderung auf Putin. Wie kann das zu einer Lösung führen? Der Schaden für alle ist immens! War man wirklich tolerant? Was haben wir falsch gemacht? Wo haben wir den Anderen nicht verstanden? Die Gedankenarbeit wäre das, was zu leisten wäre: Das denkerische Durchdringen in allen Optionen! Dann wüssten wir auch, wie Menschen fühlen, dann ist eine Verhandlung möglich. Aber ein Kippen in das Physische muss die Menschheit überwinden. Wir haben zu viele Kriege gehabt. Immer ist ein Gedankenkonflikt ins Physische gedriftet und umgeschlagen, niemals hat das jemandem geholfen. Es gab nur Zerstörung. Konflikte können nur in der Abstraktion weitergeführt werden, das heißt: Weiter reflektieren, das Meta-Wesen Staat durchdringen. Staaten fühlen nicht auf die gleiche Weise wie Menschen. Das Meta-Wesen Staat hat etwas Raubtierhaftes. Es muss gezähmt werden, innerhalb des Staates. Das braucht eine andere Denkweise als das Zähmen von Menschen. Dieses Hyper-Wesen Staat muss gezähmt werden und muss lernen, mit den anderen Staaten friedlich zusammenzuleben. Das Schwierigste besteht darin, herauszufinden, wo die kulturweltlichen Prämissen liegen und wie wir sie uns erschließen können. Man muss Übersetzungsarbeit leisten.
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2022.02.28

Über physische und geistige Arbeit 9. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag. Über Gedankenkriege und Gedankenfrieden

Marxens Begriff des Gesamtarbeiters. Hyperleib, der agiert. Man sieht das im Zeitraffer, wenn ein Schiff beladen oder ein Haus gebaut wird. Das ist Kooperation. Da ist der Einzelne nicht mehr wichtig, es gibt diese Synergieeffekte der Kooperation, das ist der Gesamtarbeiter. Über Kriege, aktueller Anlass Ukrainekrieg, aber es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, wie man Krieg vermeiden, verhindern, verkürzen kann. Am Beginn von Kriegen steht Weltsicht, also eine bestimmte Weise des Denkens. Es gibt immer einen Schlachtplan, eine Koordination, eine Infrastruktur, das sind denkerische Wege, die Strategie steht immer am Beginn. Mit einer bloßen Strategie gewinnt man keinen Krieg, aber mit bloßen Waffen auch nicht. Krieg wird durch bestimmte Argumente begründet, gerechtfertigt, es gibt immer eine Kriegserklärung. Gedankenexperiment: Ich lehre an der Keiō-Universität Tōkyō, deren Leitspruch ist »Calamus gladio fortior« - »Der Stift ist mächtiger als das Schwert«. Kämpfe nicht mit Waffen, kämpfe mit Argumenten. Was heißt das für die Ukraine? Man könnte von einem Gedankenkrieg sprechen. Eine Säule des Krieges ist stets das Gedankliche, der Konflikt, die Interpretation, der Staat wurde gedehmütigt, gekränkt, zerstört etc. Diese gedankliche Auffassung steht immer am Beginn: Die Kriegserklärung. Dann bilden sich zwei Parteien, Duellsituation von Staaten. Jede Seite beansprucht das Recht für sich. Und dann gibt es eine klare Linie, Unvereinbarkeit, das Gegenteil vom Universitätsmotto: »Das Schwert ist mächtiger als das Argument«. Reden hilft nicht mehr, wir greifen zum Schwert, dann gibt es eine physische Auseinandersetzung. Das Schlachtfeld als Kriegsbühne, eine Naturbühne, auf der man sterben kann, die das Sterben inszeniert und feiert. Da wird es physisch, die Argumente verlieren an Sinn. Es geht nicht mehr um die Meinung, sondern nur noch darum: Wer gehört zur anderen Partei? Damit entkoppelt sich etwas. Zwei Gedankengebilde sind scheinbar unvereinbar. Beide Parteien haben keine dritte Perspektive der Befriedung gefunden, das führt zur physischen Auseinandersetzung: »Das Schwert ist mächtiger als das Argument«. Die Hoheit muss sein: »Das Argument ist mächtiger als das Schwert«! Was ist ein Gedankenkrieg? Jeder Krieg ist, auch für die nächsten Generationen ein Gedankenkrieg und ein Gefühlskrieg. Selbst wenn Schlacht gewonnen ist, werden viele Menschen gestorben sein. So entstehen existenzielle Lücken, Brüche in Biographien. Das hat mit dem scheinbaren Gewinn der Schlacht nichts mehr zu tun, denn der Verlust ist nicht zu ersetzen. Selbst wenn man glaubt, man könnte durch den Umschlag des geistigen Konflikts ins Phyische etwas erreichen, liegt man falsch. Durch den Verlust werden sich immer wieder neue Kriegsgründe ergeben. Das könnte man am Beispiel des Ersten und Zweiten Weltkriegs beschreiben. Was ist ein Gedankenkrieg? Man stelle sich vor, Russland wäre in die Ukraine einmarschiert und alle wären geflohen? Man hätte die Ukraine überlassen, wie geschenkt? Man hätte alle Einwohner als Flüchtlinge aufgenommen, hätte aber die Grenzen zur Ukraine militärisch gesichert, so dass eine weitere Aggression aussichtslos erschienen wäre. Man hätte keine Schlacht gehabt, keinen physischen Krieg. Man hätte aber dann einen Gedankenkrieg erklärt. Man hätte niemanden getötet, wäre aber immer auf die Seite des Arguments gewechselt, man hätte jeden, der das Territorium beansprucht, zur Rede gestellt. Man hätte die ukrainische Sprache gepflegt in Schulen und neu zu bauenden Institutionen. Kulturblüte des geflohenen Landes im Exil. Diese hätte man finanziert, so wie man jetzt Waffen finanziert. So hätte man Gutes erzeugen können. Ein langfristiger Krieg. Wir wollen das Territorium zurück, aber wie bei einem Kind. Man kann zweierlei machen. Ein Kind stiehlt etwas, ein Buch. Dann kann man das Kind bestrafen, schimpfen, Bedingungen setzen von Strafe. Man kann aber auch sagen: Das Buch gehört nicht dir, entscheide du selbst, ob du es zurückgibst. Alle sind einer Meinung, deine ganze Familie, alle sind einer Meinung. Es gibt ein Gesetz, das über dem steht, was du gemacht hast. Dann hätte das Kind keine Freude am Buch. Es würde es freiwillig zurückgeben. Das hätte natürlich länger gedauert, aber kein Mensch würde sterben. Das klingt idealistisch, ist es auch, ein Gedankenkrieg. Aber es ist der beste Weg. Immanuel Kants Idee in der Kritik der praktischen Vernunft: »Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.« [Link] Wir besiegen euch nicht physisch, sondern geistig. Wir stehen auf höherer Stufe des Geistigen, weil wir Konflikte vermeiden. Kommt auch auf diese Stufe. Vermeidet mit uns diesen Konflikt, indem wir wieder auf das Argument setzen! So könnte man diesen Konflikt, es würde Jahrzehnte dauern, lösen. Außer gedanklich kann der Konflikt ohnehin nicht gelöst werden. Braucht es dazu Tote, einen Weltkrieg: Nein? Den Konflikt kann man nur durch Gedankenkrieg lösen, der auch ein Gedankenfrieden ist.
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Sondersitzung des deutschen Bundestags vom 27. Februar 2022 zum Einmarsch Russlands in die Ukraine


Olaf Scholz' Regierungserklärung zum Einmarsch in die Ukraine, die ›Zeitenwende-Rede‹. Erstaunlich, wie schnell 100 Milliarden (!) Euro für die Armee mobilisiert werden können. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Die Bundesregierung hätte vor zwanzig Jahren der Ukraine 10 Milliarden geschenkt und Russland 20 Milliarden. Man hätte gesagt: Wir wollen mit der Ukraine handeln, aber niemanden kränken oder demütigen. Wir wollen Frieden und einen Austausch, wir wollen soziale Gerechtigkeit. Dafür ist das Geld. Installieren wir Foren, die unsere Kulturen friedlich verbinden, ohne politische Instrumentalisierung, geben wir das Geld den Armen, ermöglichen wir ihnen Bildung. Wir geben Euch das Geld im Vertrauen darauf als Freundschaftsleistung. Dann wäre man in die Geschichte eingegangen als eine größzügige Nation, die man ernst nimmt. Viele hätten gesagt: Warum verschenken die ihr Geld? Aber angesichts des Desasters, das man jetzt hat, die Milliarden an Waffen, die ja das Problem nicht lösen, wäre dieses Geschenk damals ein Vertrauensbeweis gewesen. Vielleicht wäre der Krieg dann nie ausgebrochen. Vielleicht hätte Russland ein Gegengeschenk gegeben.
Die ganze Debatte findet sich [hier]

Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 10. Januar 2007 und seine Rede vom 22. Februar 2022

[Link Phoenix]

2022.02.27

Der Krieg in der Ukraine. Ein Worst-Case-Szenario

In Worst-Case-Szenarien zu denken, erlaubt es, die Dimensionalität von Zusammenhängen besser einzuschätzen. Nehmen wir an, was hoffentlich niemals passieren wird, dass der Komplex der Atomkraftwerke in Tschernobyl mitsamt Sarkophag und Atommüll von Panzergeschossen getroffen wird. Dann würde sich der Super-GAU von 1986 wiederholen, aber in weit größerem Maßstab. Dazu würde sich, wenn der Krieg andauerte, keiner finden, der - wie es die Liquidatoren machten - heroisch den Müll aufräumt und den Reaktor sichert. Neben der Strahlungsgefahr würden Kampfhandlungen das verunmöglichen. Was würde dann passieren? Dann würde ganz Europa langsam atomar verseucht werden, ein regelrechter Fallout ginge regelmäßig nieder. Es ist nicht auszudenken, aber eine militärische Reaktion wäre doch dann zu erwarten, um das abzustellen. Und Russland würde das als weitere Provokation deuten. Dann ergäbe sich eine Dynamik, die den Weltkriegen frappierend ähnlich sähe, nur mit dem Unterschied, dass viele beteiligten Staaten über atomare Waffen verfügen. Und in dieser Hinsicht ist Tschernobyl an sich eine atomare Waffe, die wie eine Schrotflinte fungiert, man weiß nicht, wen sie trifft. Man kann nur hoffen, dass die Soldaten so vernünftig sind und diese Bereiche nicht unter Beschuss nehmen. Aber wissen sie davon? Wie könnte man in diesem Fall deeskalierend agieren, wenn die Uhr tickt? Es wäre kaum möglich. Könnte man sich vorstellen, dass die Ukrainer urplötzlich aufgeben, um ihr Land vor atomarer Verseuchung zu retten und die Welt vor dem Atomkrieg? Würde die Nato eingreifen? Oder würde Russland den Fehler einsehen? Kann man das erwarten?
Messnetz der Gammastrahlung in Deutschland [Link]

Über physische und geistige Arbeit. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag 8. Über das Denken von Institutionen

Wie wird das Denken in Institionen eingebunden? Inwiefern denken Institutionen? Institution als Regelgebilde. Die in ihr arbeiten, müssen diese Regeln befolgen. Dadurch entsteht eine Grundordnung, auch wenn der Einzelne nicht versteht, was er machen soll. Das geschieht schon durch den Ort, den man zuweist. Dadurch ist Disposition geschaffen für Arbeitsleistung, die man erwarten kann. Arbeitsleistungen verfeinern sich. Metaleib, fungierende Instanz entsteht, ein Referenzsystem entsteht. Jeder hat bestimmte Idee, was der Andere tut, das ist gleichzeitig. Der eine arbeitet mit der Lücke des Anderen und erahnt, was der Andere tut. Von außen wirkt das einheitlich, wie bei einer Fabrik, der Einzelne fügt sich ein. Gedankenarbeit. Man normiert die eigenen Gedanken, nimmt die des Anderen vorweg, der macht das Gleiche, wie ein Scharniersystem. Aber es gibt noch ein weiteres Phänomen, beim Chef/Chefin, in der höheren Ebene der Hierarchie. Er sitzt einer juristischen Person vor. Er muss die Übergabe der Arbeiten im Blick behalten. Er ist Repräsentant der Institution, muss sie erklären können. Die Ansprüchen von außen muss er genügen und erklären, warum es zu Problemen kam. Er ist ein Repräsentant. Aber es bleibt nicht dabei. Derjenige, der in einer oberen Position ist, identifiziert sich mit Institution, obwohl er vielleicht anderers fühlt. Er übernimmt die Identifikation. Beispiel: Olaf Scholz liefert Waffen an die Ukraine. Er kann sich nicht mehr rausreden. Er weiß, dass damit Menschen getötet werden können. »Ich als Mensch würde das niemals machen, aber als Bundeskanzler schon«. Da gibt es eine Differenz zwischen dem Menschen und dem Bundeskanzler. Er leiht sein Denken dem Amt, er imaginiert die Institution in seinem Denken mit, Supervisionsdenken in Ansehen schmälern, wenn er in öffentlichen Widerspruch zu seinem Amt träte. In dieser Hinsicht zwei institutionellen Denkformen: Aufteilung und imaginieren des Denkens. Ein Denken des Denkens. Er weiß, was es bedeutet, als Instition zu agieren, er ist sie. Er leiht seinen Körper, seinen Geist, seine Gefühle. Das ist seine Aufgabe. Staaten können gedehmütigt und gekränkt werden, wie ein Mensch. Warum sie es sind, die Adressierung, liegt an oberster Stelle. Aber der Repräsentant darf keine Gefühlsausbrüche zeigen, das würde als Affront interpretiert. Er muss Staatlichkeit wie eine Maske auf der Bühne der Politik bespielen. Es ist eine Art von Manege, in der er agiert. Er weiß nicht, von welcher Seite er beobachtet wird. Er muss ein Suchbild entwickeln. Er ist in einer anderen Situation als vorher. Es ist ein hyperreflexives Supervisionsdenken, ein Denken des Denkens, die Vorwegnahme des Denkens der Anderen. Deshalb ist Scholz oft so ausweichend in Interviews, weil er in jeder Frage Möglichkeit sieht, dass er sich zukünftige Möglichkeiten verbaut. Er ist ausweichend. Aber deshalb vertrauen die Menschen ihm nicht, er sagt nicht, was er denkt, aber das kann er nicht mehr. Debatten, Gremiensprache, das ist für jemanden, der nicht in der Materie steht, wie eine Fremdsprache. Eine leichte Verschiebung der Realität und alles war umsonst. Man denke auch an Nordstream 2. Alles, was vorher gedacht wurde, ist umsonst. Aber es sind institutionelle Erfahrungen, die man machte, quasi-institutionelles Denken. Denken in Möglichkeiten, hyperreflexiv. Macht ist nicht mehr das, was Mensch möchte, Entkopplung. Man spricht aus Macht heraus.
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2022.02.26

Selenskyjs Videobotschaft

40 Minuten Odaiba im Zeitraffer

Über physische und geistige Arbeit. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag 7. Über Gedanken

Im Gedanken bezieht sich das Bewusstsein auf sich selbst. Ich fasse einen Gedanken. Gedanke enthält sich selbst, ist seine eigene Präsenz und Evidenz. Ich kann mich nicht täuschen. Wie kommt man zu Gedanken? Zwei Möglichkeiten:
1) Ich erwarte einen Gedanken vorbereitend, warte, bis sich ein Gedanke einstellt. Oberbegriff. Lichtstrahl durchleuchtet Bewusstsein. Es gruppiert sich. Interesse, willentliche Vorgabe steht am Beginn. Ich kann es nicht erzwingen. Es kann sein, dass ich mathematische Gleichung nicht lösen kann, ich merke das in Gedanken. Willentliche Vorbereitung, Ruhe, Abgeschiedenheit als Bedingung. Sammlung, man erntet Gedanken.
2) Assoziative, begleitende Gedanken. Man geht durch die Stadt, sieht etwas, dann assoziiert man etwas, denkt. Kommentar im Denken, keine Sammlung.
Gedanken kommen und gehen, man wird sie gewöhnlich nicht erinnern. Unterschied zur Wahrnehmung. Ich sehe den Baum. Ich denke zusätzlich noch. Normalerweise achten wir nicht darauf. Gewohnheiten. Gespräche bestehen aus Aussprechen dessen, was man vorgedacht hat. Das Gesprächsthema wird vorsortiert in Gedanken. Ontologie der Gedanken. Ein Gedanke hat kein Sein, ist ein geistiges Gebilde, Bedeutung, Sprache schlechthin. Gedanke kann alles sein, alles kann gedacht werden. Gedanke hat etwas von einer Allsichtigkeit, weil er Bewusstsein in Präsenz hebt. Ein Gedanke hat keine Rückseite. Erziehung zum Denken. Denkweisen sind kulturell geprägt. Kant sagt in der Kritik der praktischen Vernunft, dass es den gestirnten Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir gebe. Sternenhimmel, das All hat eine unglaubliche Ordnung, Taktung. Das moralische Gesetz hat auch eine Ordnung. Diese werden nicht nur anerzogen. Auch Menschen, die Schlimmes erlebt haben, können sehr moralisch sein. Der Gedanke gehört dazu. Phänomenologie des Denkens, des Gedankens. Wie erscheint der Gedanke? Gedanke ist nicht alleine. Ein Gedanke wird geäußert, Menschen gruppieren sich, etwa in wiss. Arbeiten. Wenn man eine wiss. Arbeit schreibt, dann hat man 300-400 Seiten. Geht man davon aus, dass ein Gedanke ein Satz ist, dann sind das viele Gedanken. Das kann man nur noch mit der Schrift machen. Im Sprechen hat das Grenzen, so wie jetzt. Aber das ist organisch. Das Organische der Gedanken ist auch interessant. Im Schriftlichen streicht man es. Aber mit der Aufzeichnung geht das. Gedanken gruppieren sich, erweitern sich, vor allem im willentlichen Denken. Sie fundieren sich. Argument. Ein Gedanke wird mit dem anderen verknüpft. Schlussfolgerungen, logische Verknüpfungen. Wenn die Sonne untergeht, dann wird es dunkel, das sind Schlussfolgerungen. Was ist ein Argument? Gedanken stehen nicht nur inhaltlich in einer Ordnung, sondern auch in einer logischen, argumentativen. Um Argumente nachvollziehen zu können, muss man ähnliche Gedanken denken. Man kann Argumente variieren. Kant, Kritik der reinen Vernunft, geschlossenes Gebilde. Das hat Auswirkungen. Ein Gedanke alleine, interessant sind Zusammenhänge von Gedanken, Übergabe der Gedanken durch Schrift. Innere Kohärenz. Bestimmte Verfahren zur Erzeugung der Kohärenz, neben der Rhetorik.
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2022.02.25

Über physische und geistige Arbeit. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag 6. Erziehung zum Denken

Erziehung zum Denken. Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen. Wie lernt man Denken? Ermutigung zum Denken, zur Mündigkeit. Der Angriff auf die Ukraine als geplanter, also gedachter Feldzug. Der Geist, der Plan steht am Beginn. Denkverbote und homogene Denkungsart in der Führungselite, Einigung auf Denkverbote, Interpretationen. Katechismen und Dogmatik des Denkens des Anderen kennenlernen, also denkerische Begegnung. Man dachte, man selbst sei fortschrittlicher als das Denken des Anderen. Aber es ist eine Stratifizierung des Denkens, der man begegnen muss. Jedes Denken lässt sich locken. Konfrontationen vermeiden. Stephan Thome Pflaumenregen, Spracherlasse nach Wechsel von politischem Regime. Sich selbst als Fremder, da man einen anderen Namen erhält. Was passiert da, wenn Kultur nicht ausgeübt werden darf? Wo sind die Schnittmengen? Das ist gedanklich. Linguales Unbewusstes, wenn Menschen mehrere Sprachen sprechen. Jede Sprache hat Ausdruckspotential und einen Bereich des Ungedachten, Unausdrückbarkeiten. Übersetzungen und Einsicht in das Unbewusste des in der anderen Sprache Gedachten. Wo ist der gedankliche Bereich, aus dem die Zerstörungswut kam, wo ist das Unübersetzbare darin? Wo liegen die Motive? Dalai Lama ging in das Exil, bewahrt seine Denkungsart, aber Verlust des Territoriums. Herrschaftsform der autoritären Regimen führt nur zur Scheinstabilität, etwa durch Gewalt. Aus welchen Motiven heraus wird jemand Soldat? Einüben ins Denken. In der Schule lernt man das Umschalten im Denken, eine Stunde Deutsch, dann Mathe, Kunst etc. Leistung abrufbar, ohne Interesse sich der Aufgabe widmen, das ist das, was Schule einübt, gedankliche Fitness. Gedanken sind unendlich. Es gibt nichts Gewisseres als Gedanken. In der Empirie kann ich mich täuschen. Edmund Husserl schrieb denkend und dachte schreibend in Gabelsberger Stenographie. Er konnte so schnell schreiben wie denken. Stenographie ohne apparative Technik Notation des Sprechens, Denkens. Ich mache ja hier Ähnliches mit dem Aufnahmegerät. Atmosphäre beeinflusst mein Denken. Wie viele Modelle spielen die Menschen durch, wenn sie sagen: Das habe ich mir schon gedacht? Entführung in das Denken. Der Mensch könnte alles aus sich selbst heraus begründen. Manchmal wartet man auf den Gedanken, wie auf einen Gast. Ich habe mir ein Mikroskop gekauft, bis zu 2000facher Vergrößerung. Zellstrukturen. Möglichkeit des Vergrößerns. Es gibt beim Computer zwei Möglichkeiten zu vergrößern: per Pixel und per Vektorgraphik. Letzere kann unendlich vergrößert werden. Der Gedanke entspricht diesem vektorialen Prinzip. Ich kann jeden Gedanken nochmal weiter denken. Störgeräusche im Mikrophon. Woher kommen die? Blutooth oder WLAN von Handy, vom Computer, Pad etc. Und so habe ich den Flugmodus aktiviert, dann sind die Störgeräusche verschwunden. Das Mikrophon nahm die Frequenz der Geräte auf. Nahm also die unhörbaren Funkwellen auf, selbst das, was jenseits der Hörschwelle liegt. Was machen diese Wellen mit dem Denken? Wird das Denken von diesen Techniken beeinflusst? Es gibt eine Taktung. Überall schweben Radiowellen im Raum. Was bewirkt das? Könnte man das sichtbar machen, wie viele Wellen es gibt? Gedanken der Natur. Da gibt es Muster, Übertragungsphänomene. Wie eine Verkehrsampel, so sagt Blutooth: Jetzt ist es grün, jetzt darfst du funken. Was geschieht da? Sensuelles Unbewusstes. Optisch-Unbewusstes (Benjamin): Zeitlupen. Seiteneffekte. Entwendung des Mikroskops. Gibt es solche Wellenmesser, die die Wellen visualisieren können? Erlebnis der Beobachtung, wie das Denken wächst.
[mp3]

2022.02.24

Über physische und geistige Arbeit. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag 5. Was ist ein Gedanke?

Kurzvortrag zur Frage, was ein Gedanke ist Die Gedanken sind frei - wer kann sie erraten? - Sie fliehen vorbei - Wie ein nächtlicher Schatten. Was ist ein Schatten? Wann entstehen Schatten? Nächtliche Schatten. Das Auge muss an die nächtlichen Schatten adaptieren. Gedanken sind flüchtig. Gedanken gibt es, weil es den Begriff gibt. Ich weiß nicht, welcher Gedanke sich einstellen wird. Ich warte auf einen Gedanken, bereite ihn vor. Was geschieht mit dem gedachten Gedanken, wenn er verschwindet? Der Gedanke ist ein Bewusstseinsphänomen. Man nimmt Gedanken nicht wahr, man fasst sie auf, hat sie: Man denkt. Man denkt nicht das Denken, Gedanken sind da. Husserl, Heidegger, Hegel, Kant, was schrieben sie zu den Gedanken? Gedankenexperiment. Vorwegnahme der Realität durch Gedanken. Aber was ist ein Gedanke in seiner Grundstruktur? Ich muss nachdenken. Ich habe nur einen Gedanken. Gedanken wechseln einander ab. Aber ich kann nicht zwei Gedanken haben, wie ich zwei Melodien gleichzeitig hören kann. Gedanken lassen sich artikulieren. Gedanken können eine physische Form bekommen. Gedanken als vagabundierende Sprache. Ich kann Assoziationen verbinden. Daraus ergeben sich Strukturen, Sinngefüge, Erzählungen. Wir können Gedanken teilen. Verwaltungsarbeit: Sekretärin/Sekretär führt die Arbeit aus, muss äußerlich funktionieren, indem sie/er denkt. Aber dann entstehen Parallelgedanken, etwas, das nicht ausgesprochen werden darf, begleitendes Denken. Aber hier übe ich freischwebendes Denken. Freud und Husserls Idee des Unbewussten, Grenzziehung bei Freud, Kontinuum、Gradient, Niveaustufen bei Husserl, anderes Modell. Wenn ich schlafe etc., dann gibt es den unbewussten Gedanken bzw. das unbewusste Denken. Da ist irgendetwas Diffuses, das sich übersetzen lässt. Bewusstseinsphänomen. Wer fragt schon, was Licht ist, was Gravitation? Es gibt die äußere, sichtbare Welt, dann die zweite Gedankenwelt und die dritte Welt des Unbewussten. Was denken die Menschen, die an der Ampel stehen? Viele schauen auf das Handy, versuchen die Gedanken zu veräußerlichen, Denken wird angeleitet durch Bilder, Sprache, Filme, Spiele. Im Alltag umkreisen die Gedanken Handlungen, die wir erwarten etc. Das ist ähnlich wie bei der Sprache, die kommentierend benutzt wird. Gedanke als Probehandlung. Gedanke hat a-substantielle Struktur, er ist geistig. Es gibt keine Reste, keinen Gedankenmüll. Gedanken sind wie Licht, ein begleitendes Phänomen. Bewusstsein richtet den Fokus. Ich kann einen Gedanken intendieren, lenken, warten, aber nicht erzwingen. Prüfungen erzwingen Gedachtes. Gedanke wird abgerichtet auf Lösung der Aufgabe, ich mache das Gegenteil: Langesames Wachsen von Gedanken, sie schweifen umher. Gedanke als Medium. Wenn Kinder erzogen werden, dann sprechen Eltern oft ihre Gedanken vor. Das ist eine Schablone für das Kind, das das Gesprochene im Denken repetiert. Vorsprechen von Gedanken, Denkangebote. Wer viel denkt, ersinnt Möglichkeiten. Menschen, die sich zwingen, nicht zu denken: Militär, warten auf das Kommando. Denken ist friedlich, demokratisch. Es schadet niemandem.

Grüner Tee. Ein Film von Andreas Becker

Dies ist mein neuer Film: Grüner Tee. Der Film zeigt mein morgendliches Ritual: Die Zubereitung von grünem Tee. Gedreht am 24. Februar 2022, Kamera: Canon D6, Audio-Recorder Zoom H6. www.zeitrafferfilm.de

2022.02.23

Über physische und geistige Arbeit. Improvisierte und ungeschnittene Kurzvorträge 1-4

In diesen unvorbereiteten und improvisierten Kurzvorträgen spreche ich über physische und geistige Arbeit. In Vortrag 1 frage ich nach den Unterschieden zwischen physischer und geistiger Arbeit und entwickle die These, dass Geistesarbeit Gedankenarbeit ist. Ich diskutiere Yoko Onos White Chess Set (1966). In Vortrag 2 führe ich diese These aus und behandle die Frage, was ein Gedanke ist. ›Gedanken‹ entwickle ich als stilles, imaginiertes Sprechen, wobei Sprechen als Metapher gedacht ist, als imaginatives Aufführen. ›Sprechen‹ kann auch die Imagination von Zahlen, Melodien, Bildern etc. meinen. Beispiel: Ray Bradbury Fahrenheit 451. Arbeit verbindet. Gemeinsame Gedanken. Responsivität. Arbeitskörper. Kollektivkörper. Übereinstimmung von geistiger Arbeit. Solipsistische Arbeit. Umschlag in der Gedankenarbeit. Geistesverandte, die Ähnliches denken und die ähnlich denken. Assoziation. Erinnerung und Denken. Jeder, der sprechen kann, kann auch denken. Kopfrechnen. Selbsterkundung des Denkens, d.h. der sprachlichen Möglichkeit, die in mir liegt: die Unendlichkeit. Unsichtbarer Fortschritt in Gedankenereignissen: Vernunft. Ohne Ruhe und Lebenssicherheit kann man schwer denken. Abgeschiedenheit, Ruhe, Aufgehobenheit gehört zum stillen Sprechen dazu. In Vortrag 3 frage ich nach der modernen Organisation von Gedankenarbeit. Entfremdung. Physische Arbeit und Gedankenarbeit als entfremdete Arbeit, also Arbeit, die verrichtet wird, um Lohn zu erhalten. Ohne Interesse ausgeführte Aufmerksamkeit. Verwaltungsarbeit einer Sekretärin. Aufmerksamkeitstausch, Zusammenhängen ohne Interesse widmen. Zeitstkalen unterschiedlicher Aufgaben, die in Gedankenarbeit parat gehalten werden müssen. Schichtordnung. Abarbeitung in der Erinnerung als Aufmerksamkeitsarbeit, Aufspaltung der Aufmerksamkeit für Aufgaben, die gleichzeitig zu tun sind. Walter Benjamins Idee der Zerstreuung, da kann man sich nur dran gewöhnen. Komplementärstruktur Arbeit-Freizeit, Beruf: Aufmerksamkeit, Freizeit: Zerstreuung, darin besteht die Anstrengung. Gedankenarbeit, die wenig denkerisch ist, da sie repetitiv ist. Relief der Erinnerung präsent halten. Koordination. Termingerecht. Synthese in der Erinnerung, darin besteht Leistung. Sie ist physisch nicht erschöpft, eine a-körperliche Arbeit der Verwaltung. Marter des physischen Nichtstuns, ihre Arbeit ist reine Gedankenarbeit. Die Sekretärin soll nur sitzen und denken, unter Absehen ihrer Körperlichkeit. Jonglieren mit der Erinnerung. Das ist ein Großteil der heutigen Arbeit. Warum müssen heute so viele Menschen in der Verwaltung diese Synthesearbeit leisten? Bürokratien sind Meta-Lebewesen, Leviathane, Repräsentationsleiber. Juristische Person. Menschen sind Repräsentanten des Unternehmens, die dessen abstrakte Absicht verwirklichen: Gewinn zu erzielen. Zelle. Zerlegung und Zusammenfügung von Aufgaben, Kooperation. Unternehmensidee. Verselbstständigung der Idee. Größere Einheiten sind effizienter. Menschen werden homogenisiert, zugerichtet. Sie müssen alle die gleichen Arbeiten verrichten. Das Gegenteil von Aufmerksamkeit ist Zerstreuung. Man muss einen Film nicht interpretieren, man kann sich beflimmern lassen. Das Potential der Menschen wird nicht ausgeschöpft, da Gedankenarbeit nur als Erinnerungsarbeit verstanden wird. Man kann sich nicht mehr konzentrieren. Gedankenarbeit könnte Konzentration bedeuten. Aber die Medien lassen das nicht zu, sie sind auf die Zerstreuung ausgerichtet. In Vortrag 4 frage ich, was ein Gedanke ist. Descartes Cogito ergo sum Ich weiß, was ich denke, aber nur präsentisch. Erinnerungsprotokolle. Ein Satz ist ein Gedanke. Ich vergesse meine Gedanken sehr schnell, wenn ich sie nicht entäußere. Sie verschwinden. Denken ist ereignishaft. Gedanken folgen einander. Ich muss nichts denken. Normalerweise denken wir immer, anknüpfend an das, was wir wahrnehmen. Irgendwie stellen sich immer Gedanken ein. Meditation: Sich des Denkens enthalten. Wir achten auf den Atem, zählen still. Normalerweise springen die Gedanken, begleiten unseren Alltag, bereiten Möglichkeiten vor. Befreiung des Nicht-Denken-Müssens. Intentionalität (Edmund Husserl) bleibt auch bei Gedanken erhalten. Bewusstsein macht in der Meditation von der Möglichkeit des Denkens keinen Gebrauch: Seelenruhe. Man glaubt sonst, man würde zu wenig denken. Ein Kind kennt das: Man muss nicht denken! Der Geist kann ruhen. Er muss sich nicht in Sprache halten. Denken als schweigendes Sprechen. Doppeltes Schweigen in der Zen-Meditation, äußerliches und innerliches Schweigen. Bewusstsein wird empfindlich für Eindrücke in der Meditation. Die Empfindlichkeit der Wahrnehmung des Kindes. Erwachsene wurden Unempfindlich, aber durch das doppelte Schweigen der Meditation werden wir empfindlicher. Was passiert mit den Gedanken, wenn ich nichts denke? Selbst wenn ich schlafe, denke ich. Aber wenn ich meditiere, gibt es das nicht. Wo ist der Gedanke hin? In der Meditation fällt mir zu Beginn ein, was ich vergessen habe, einfache Dinge, die ich machen muss, aber beinahe vergessen hätte. Die Meditation bringt die oberflächlichen Gedanken zur Ruhe, dann kommen die Erinnerungsgedanken. Wenn das geschehen ist, kann man die Gedanken gewähren lassen, ihnen nicht folgt, dann ruhen sie sich. Dann kommt man in das Nicht-Denken, in die Ruhe hinein. Mit mehreren meditieren, Gemeinschaft der doppelt Schweigenden. Das Bewusstsein schwingt sich ein, synchronisiert sich, obwohl man mit ihm nichts spricht, man kennt sich doch gut. Man kommt durch Denken selbst nicht immer weiter, das Gegenteil ist der Fall. Ich bekomme erst kreative Gedanken, wenn ich mich des Denkens enthalte. Einen Gedanken behutsam fassen. Wie ein Gedankenpflänzchen, eine Gedankenfrucht.




2022.02.22

Stones 1964

Über rezeptive und produktive Kultur. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag

In diesem unvorbereiteten und improvisierten Kurzvortrag spreche ich über zwei Weisen des Aneignens von Kultur: Rezeption und Produktion. Meine Eingangsthese ist, dass die Kultur sich von einer produktiven zu einer rezeptiven Kultur entwickelt hat. Dies liegt u.a. an den Massenmedien, die als Rezeptionsmedien angelegt sind.

Über Symmetrien. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag

In diesem unvorbereiteten und improvisierten Kurzvortrag spreche ich über Symmetrien und diskutiere die Frage, warum wir normalerweise nicht auf diese achten und welche Funktion Symmetrien in der Kunst und im Alltag haben.

Freiheit und Kritik. Improvisierter und ungeschnittener Kurzvortrag

In diesem unvorbereiteten und improvisierten Kurzvortrag spreche ich über Freiheit und definiere sie als die Möglichkeit des Infragestellen-Dürfens, des Kritik-Äußerns.

Christian Piper und das Cover von Tattoo you

Lange fragte ich mich, wer die Frau auf dem Cover des Stones-Albums Tattoo you (1981) sei. Bis ich merkte, dass es ja Mick Jagger ist, der von Christian Piper auf eine höchst kunstvolle Weise inszeniert wurde.

SGHR Glassware


Neulich kaufte ich in Azabu schöne Gläser in einem Sake-Geschäft. Man könnte meinen, Gläser seien doch standardisiert. Aber jeder, der mal in Venedig war und Murano-Glas sah oder eine Glasbläserei besuchte, weiß, wie fein die Nuancen dieses Materials sein können. Glas ist inszeniertes Licht. Und gerade dieses Sugahara-Glas (SGHR) hier schimmmert und lockt Farben regelrecht heraus, prismatisch, sachlich und dennoch poetisch. Ein physikalisch erzeugtes flüchtiges Gemälde während des Trinkens. Und so mag ich meine Sake-Gläser sehr und verwende sie auch gerne für den roten Wein.

2022.02.21

Tools zur japanischen Sprache

Nützliche Tools zur japanischen Sprache, u.a. einen Furigana-Maker, Romaji/Konverter mit Hepburn-Transkription, gibt es [hier]

2022.02.20

Online-Synthesizer

Eine schöne Sammlung von Online-Synthesizern findet sich [hier].

Philipp Weiss-Lesung online!

Tutorial Fotomontage/Freistellung mit Procreate

2022.02.19

Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2022 - Hyperschallrakete

2022.02.18

Waisse Turaua, White Wedding

Gitarrenstück. Der Frühling kommt

Positives in Negatives kehren

Bei Projekten gibt es eine eigene Dynamik, die ich als »Positives in Negatives kehren« bezeichnen möchte. Ein Beispiel hierfür: Zwei Menschen organisieren eine Party, aber einer hat vergessen, den Sekt zu bestellen, obwohl er es zusagte. Dann regt der Andere sich bei der Party auf, weil dieser fehlt, macht Vorwürfe. Es entsteht negative Dynamik, nur weil etwas fehlte. Aber die Party war doch gut! Offenbar besteht der ideelle Anspruch, alles müsse so organisiert werden, wie es abgemacht war. Erfolgt eine fehlerhafte Abweichung, dann entsteht ein negatives Gefühl. Man hat offenbar eine imaginierte Realität im Sinn und ärgert sich, wenn diese nicht in der vorgestellten Weise vorliegt. Mir ist das nicht verständlich, da ja hier negative Emotionen aus sich selbst heraus entstehen, weil man die eigene Vorstellung mit der Wirklichkeit vergleicht. Man ist offenbar nicht bereit, diese in Frage zu stellen, nach Motiven und Ursachen zu suchen, und richtet nun die Wirklichkeit nach der eigenen imaginierten Erwartung aus. In dieser Hinsicht entstehen die negativen Emotionen eben nicht, weil der Sekt nicht da war, sondern viel tiefer, weil man nicht bereit war, sein Gefühlsmodell zu hinterfragen. Man schimpft lieber die anderen.

Aus der Verantwortung schleichen mit Hilfe des Verschweigens von Bedingungen

In der japanischen Kulturwelt habe ich das noch nie erlebt, in der deutschen kommt es oft vor. Nehmen wir ein Projekt. Da gibt es immer auch negative Aspekte. Man kann diese mitteilen, aber das führt dazu, dass der Andere vielleicht nicht mitmacht. Also machen viele, die aus der deutschen Kulturwelt denken, folgendes Kalkül: A weiß, dass B das nicht gefallen wird, verschweigt es aber willentlich. Und wenn B dann mitmacht, wird er es irgendwann erfahren. A tut dann so, als hätte er nichts gewusst bzw. es nicht bemerkt. Das Problem besteht darin, dass man A nicht nachweisen kann, dass er es nicht wusste. Es liegt gewissermaßen eine emotionale Zumutung an B darin. Wollte B das auch nur ansprechen, würde es wie eine Verdächtigung klingen. So liegen über vielen deutschen Kooperationen gewisse versteckte Bürden. Ich habe so etwas auch und insbesondere bei Behörden erlebt, bei Unternehmen und Vertragsabschlüssen. In der japanischen Kulturwelt reagiert man, wenn sich dann die negative Konsequenz für B zeigt, indem A ausgleicht. In der deutschen Kulturwelt ist es eher so, dass A zwar ein schlechtes Gewissen hat, sich aber der ersparten Arbeit freut. Es entstehen so auf lange Sicht Irritationen und Misstrauen in den Anderen. Rechtlich gesehen handelt A vollkommen korrekt.

Universität und Prestige

Der Erfolg der modernen Universität begann einerseits durch die Generierung, Sammlung und Bereitstellung von Wissen, er lässt sich aber auch institutionell erklären. Man systematisierte die Abschlüsse und verlieh Titel: Bachelor, Master, Magister, Diplom, Doktortitel, Habilitation. Vormals waren Adelstitel erblich, nun können sie durch überprüfbare und transparente Leistung erworben werden. Dadurch entstand eine Form von Prestige-Ökonomie, von der die Universität, und gerade die heutige, zehrt. Der Erwerb eines Titels garantiert ein gewisses gesellschaftliche Ansehen. Der Nachteil dieses Systems ist es, dass umgekehrt nur noch studiert wird, um einen Titel zu erwerben, es also gar nicht mehr um Erkenntnisse geht. Auch erschwert diese Prestige-Durchdringung die interne Kommunikation. Kann man nicht eine gewisse Honoration garantieren, so wirkt es, als ob man den Anderen herabsetze im Falle einer Einladung. Wirkliche Wissenschaft kümmert das nicht, sie kommuniziert frei mit jedem, auch den nicht Akademischen. Es entstehen aber Hemmungen, Stockungen. Leicht wäre es, wenn man etwa ein Thema hat, frei zusammenzukommen, sich zu assoziieren und dann das Thema zu besprechen und zu diskutieren. Stattdessen aber hat man den indirekten Anspruch, Tagungen zu organisieren, die finanziert werden etc. Es wäre doch ganz einfach, jedem Wissenschaftler einfach eine Grundversorgung plus X zu garantieren. Und wenn dann Menschen kommen, die die Mittel nicht haben, um etwa zum Gespräch anzureisen, dann zahlt man das eben. Andererseits aber führen diese Prestigeaspekte auch zu einer Dynamisierung eigener Art. Große Verbünde entstehen, die einander konkurrieren und wetteifern um berühmte Gäste, Einfluss, Drittmittel, Anzahl von Publikationen etc.

2022.02.16

Kunstgattungen und Gefühle

Kunstgattungen sind ganz unterschiedlich in der Form, wie sie unsere Gefühle inszenieren, diese austarieren und färben. Musik etwa ist in weiten Teilen kathartisch, lässt die Gefühle direkt erscheinen, umfängt uns. Musik verstärkt die Gefühle und ist eine der wenigen Gattungen der Kunst, die immer ein wenig ›erbauend‹ ist: Sie schenkt uns absichtslos positive Energie. Natürlich gibt es traurige Musik, aber an sich ist das in der Musik Ausgedrückte immer auf die Zukunft gerichtet. Sobald ich Musik höre, bin ich in der Stimmung, die ich empfinden möchte bzw. verstärke oder verändere meine Gefühlslage. Demgegenüber ist die Literatur, das Theater stets reflektierend, da es sprachlich fundiert ist. Ganz auffällig, dass fast ausschließlich negative Gefühle, also tragische Stoffe, Verbrechen, Unfälle, Kriege Thema dieser Gattung sind. Eine Geschichte, die in gleicher Weise wie die Musik wirken würde, stünde unter Ideologieverdacht. Die Malerei nimmt eine Mittelstellung ein, sie kann absichtslos sein. Der Film tendiert sehr zur Literatur. Aber gerade musikalische Filme, etwa Once Upon a Time in the West (Sergio Leone, 1968), 2001. A Space Odyssey (Stanley Kubrick, 1968), Pat Garrett and Billy the Kid (Sam Peckinpah, 1973) lassen sich ähnlich wie Musik rezipieren. Man könnte sie als visuelle Musik verstehen.

Über existenzielle und instrumentelle Höflichkeit

Zwei Formen von Höflichkeit lassen sich unterscheiden. Die eine möchte ich existenzielle, die andere instrumentelle Höflichkeit nennen. Die existenzielle Höflichkeit ist eine, die immer da ist. Einer ist höflich zu seinen Mitmenschen, zu Menschen, die in der Hierarchie niedriger stehen. Er ist auch dann höflich, wenn etwas schiefgeht, Unfälle passieren, negative Konsequenzen drohen, ihm selbst gar ein Leid angetan wird. Es ist dies eine Lebenseinstellung: »Der Andere ist mir wichtiger als ich selbst. Ich vertraue ihm. Niemand will absichtlich etwas Böses.« Höflichkeit in dieser Form wird geübt, um die Achtung vor dem Anderen auszudrücken, ohne Einschränkung, absichtslos. Und dann gibt es noch die instrumentelle Höflichkeit. Dies ist eine, die inszeniert wird, um etwas zu erreichen. Bei hierarchisch Höhergestellten tritt diese gewöhnlich nicht auf, da sie sowieso alles bekommen, sie brauchen die Fassade nicht. Wenn sie höflich sind, ist es nahezu immer echt. Aber etwa in ökonomischen Zusammenhängen findet man die instrumentell Höflichen sehr häufig. Ein Verkäufer ist höflich zum Kunden, wenn er ein Produkt verkaufen will. Kommt es zur Reklamation, dann erscheint er mitunter wie ein anderer Mensch, janusköpfig. Es wäre wünschenswert, die instrumentelle, gespielte Höflichkeit von der existenziellen zu unterscheiden. Aber in ihren Äußerungsformen sind beide sehr ähnlich. Wie gesagt, ist einer hierarchisch höher gestellt und dennoch höflich, so kann man davon ausgehen, dass er existenziell höflich ist. Aber was macht man in den anderen Fällen? Man möchte ja nicht Gefahr laufen, unhöflich behandelt zu werden. Man kann vorsichtig sein. Eine abwartende Haltung lässt die Höflichkeitsfassade, so sie denn eine ist, schnell bröckeln. Auch kann man Probe-Situationen schaffen, etwa kleine Projekte vorausschicken. Dann zeigt sich schon, wie höflich der Andere tatsächlich ist. Aber auch wenn man dann in die Situation kommt, einem instrumentell Höflichen gegenüberzustehen, der sich entpuppt als jemand, der nur etwas wollte, kann man gelassen bleiben. Da man selbst als existenziell Höflicher ernst genommen werden will, kann man den Zorn des Anderen geduldig ertragen. Vielleicht einen Kommentar abgeben. Aber man sollte es bei der Isolation belassen, niemals Rache üben oder auch nur daran denken. Einfach hinnehmen, geduldig bleiben, erklären, Angebote machen und sonst nichts tun. Auf keinen Fall aber sollte man dem Zorn des Anderen emotional begegnen. Die existenziell Höflichen sind in der Überzahl! Dem Anderen die Chance lassen, seinen Fehler einzusehen. Das kann lange dauern.

2022.02.13

Christian Petzold-Heft erscheint bald

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Bald erscheint das von mir herausgegebene Heft zu Christian Petzold in der edition text+kritik, Heft 65 der Reihe Film-Konzepte. Mit dabei sind Beiträge von Kayo Adachi-Rabe, Iakovos Steinhauer, Felix Lenz, Tetsuya Shibutani, Jaimey Fisher und mir.

Über die Kolonialisierung des Mars

Igor Levchenko, Shuyan Xu, Stéphane Mazouffre, Michael Keidar und Kateryna Bazaka fragen in ihrem Artikel Mars Colonization: Beyond Getting There danach, warum und wie wir zum Mars reisen werden.

Schriftsteller Jon Fosse

Thomas David begegnet in der FAZ dem norwegischen Avantgardisten Jon Fosse.

Wichtige Musikproduzenten

Musikproduzenten stehen oftmals im Hintergrund, viele kennen ihre Namen nicht. Aber sie sind sehr prägend für den Sound. Eine Liste mit 22 berühmten davon hat Popkultur zusammengestellt.

Robert Habeck auf der Pressekonferenz am 11.1.2022 zum Ausbau der Windenergie

2022.02.12

Leon Löwentraut

Abend. Improvisation


2022.02.11

Stephan Thome liest aus Pflaumenregen

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Am Montag liest Stephan Thome Im Apparat aus seinem neuen Roman Pflaumenregen.
Der dem Roman vorangestellte Schlager Blüte der Regennacht ist von Teng Yü-hsian aus dem Jahr 1934.
Das Apfellied aus Kapitel 10, der Ohrwurm, der Shizuko Hondas Nachkriegsalltag begleitet, ist Ringo no uta von Michiko Namiki. Im Original aus dem Film »Soyokaze« (1945) von Yasushi Sasaki

2022.02.10

Lindemann/Zaz

U2 These are the hands...

2002 begegneten U2 der Demütigung, die in dem Anschlag von 9/11 lag, durch ein Lied. Solcher Versuche gab es wenige, leider.

2022.02.09

Europa ohne Produkte

Seit den 1980er Jahren kann man einen Niedergang eigentümlicher Art beobachten: Europa schafft es nicht mehr, eigene elektronische Produkte herzustellen. Nach einigen Versuchen gibt es seit ca. 20 Jahren keine nennenswerten Marken aus Europa mehr, die folgende Produkte konkurrenzfähig herstellen: Handy, Computer, Fernsehapparate, Radio, CD/DVD/Blu Ray-Spieler, Fotoapparate. Nun will man eigene Chips bauen [Link Telepolis]. Aber man hat doch, außer in der Autoindustrie, keine nennenswerten Produkte mehr, in denen diese Verwendung finden könnten! Es wäre doch gar nicht so schwer, und Apple macht das doch vor, aus einem Arrangement von Einzelteilen ein Produkt herzustellen. Auch wäre es sehr einfach, auf Linux zu setzen und nicht das Windows Betriebssystem zu finanzieren. Auch das unterlässt man. Es fehlt offenbar an Kooperation unterster Stufe.

Theorie der Hypertonie (improvisierter Wohnzimmervortrag, allererste Skizze)


2022.02.07

Eric Burdon Forever

2022.02.02

Büchner-Projekt Lenz 06


»Nach dem Essen nahm ihn Kaufmann beiseite. [...] zugleich schnarrte die Alte, und über diesem Wechseln und Sinken des Lichts, den Tönen und Stimmen schlief endlich Lenz tief ein.« (Georg Büchner: Lenz, 1839)

2022.01.31

Büchner-Projekt Lenz 05


»Über Tisch war Lenz wieder in guter Stimmung: man sprach von Literatur, er war auf seinem Gebiete. [...] Er hatte sich ganz vergessen.« (Georg Büchner: Lenz, 1839)

2022.01.30

Büchner-Projekt Lenz 04


»Am folgenden Morgen kam er herunter, er erzählte Oberlin ganz ruhig, wie ihm die Nacht seine Mutter erschienen sei [...] Auch war es allen notwendig, daß er da war; er gehörte zu ihnen, als wäre er schon längst da, und niemand frug, woher er gekommen und wohin er gehen werde.« (Georg Büchner: Lenz, 1839)

2022.01.29

Büchner-Projekt Lenz 02


»Endlich war es Zeit zum Gehen. [...] Wie den Leuten die Natur so nah trat, alles in himmlischen Mysterien; aber nicht gewaltsam majestätisch, sondern noch vertraut.« (Georg Büchner: Lenz, 1839)

Büchner-Projekt Lenz 03


»Eines Morgens ging er hinaus. [...] Der Vollmond stand am Himmel; die Locken fielen ihm über die Schläfe und das Gesicht, die Tränen hingen ihm an den Wimpern und trockneten auf den Wangen – so lag er nun da allein, und alles war ruhig und still und kalt, und der Mond schien die ganze Nacht und stand über den Bergen.« (Georg Büchner: Lenz, 1839)

2022.01.27

Büchner-Projekt Lenz 01

Gerade lese ich wieder Georg Büchners Lenz und versuche, dieses Schlüsselwerk der Moderne zu verstehen, indem ich es vertone.

Georg Büchner: Lenz, 1839
»Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg. [...] Er wurde ruhig; es war ihm, als träten alte Gestalten, vergessene Gesichter wieder aus dem Dunkeln, alte Lieder wachten auf, er war weg, weit weg.«

Datenbank und Lebenszeit

Die heutige Forschung ist in einer zwiespältigen Situation. Einerseits gibt es so viele Datenbanken wie nie in der Menschheitsgeschichte. Und vergleicht man den Zugriff mit den früheren Zettelkatalogen, so ist der Zeitgewinn - für eine einzelne Datenbank betrachtet - enorm. Die Schwierigkeit aber liegt darin, dass es eine ungeheure Zahl neuer Datenbanken gibt, Datenbanken von Datenbanken, Verzeichnisse von Verzeichnissen, dazu ist der Zugriff auf dieselben oftmals durch Lizenzen reglementiert. Gleichzeitig aber besteht der Anspruch, dass man, will man etwas veröffentlichen, all das bislang Geschriebene berücksichtigt. Die Legitimation einer Veröffentlichung, insbesondere einer wissenschaftlichen, besteht in deren Neuigkeitswert. So gut ein Aufsatz wäre, würde die These in gleicher Weise bereits vorher entwickelt sein, man geriete in den Verdacht des Plagiats. Es bleibt also nichts übrig als einen Großteil seiner Zeit mit einer relativ stupiden Tätigkeit zu verbringen, nämlich der Durchforstung der Datenbanken. Und dann schließt sich meistens, da diese ja nur Verweise beinhaltet, die Beschaffung der Literatur an. Das kosten Zeit und dauert dazu. Diese Praxis negiert auf eine gewisse Weise die eigene Lebenszeit. Sie wertet dazu das Denken als solches ab. Diese ›Last des Historischen‹ gibt es dazu vor allem in den geisteswissenschaftlichen Fächern. In der Mathematik oder Physik gilt derjenige, der das Gedachte nachvollziehen kann als ein Befähigter. Früher war auch die Philosophie noch auf die Präsenz des Denkens ausgerichtet. Auch sie muss sich heute mit den archivierten Gedanken messen, d.h. es entstehen Disrelationen der Zeit Recherchezeit vs. Lebenszeit. Ich meine, dass ein Vorgehen wie das Edmund Husserls, das ja auf dem Denken im Vollzug gründet, ein schreibendes Denken ist, viel behutsamer mit der Lebenszeit umgeht. Was nützt es, wenn man nachweist, dass eine Denkfigur, die Husserl entwarf, schon ein Jahrhundert vorher von anderen entworfen wurde? Man muss der Haltung vertrauen. Ein anderes ist es, bewusst oder aus Nachlässigkeit, Gedanken anderer zu kopieren. Diese Haltung aber ist es, dass jemand ernsthaft denkt und wir ihn nicht verdächtigen, zu plagiieren. Welches Kriterium gibt es da? Es ist die Darlegung der Ordnung in ihren Zusammenhängen und ein Verständnis derselben. Das wiederum lässt sich nicht automatisieren. Es braucht eben die Lebenszeit von Mensch und Mensch, Fragendem und Antwortendem dazu. An dieser mangelt es aber, da die Lebenszeit für die Recherche in den Datenbanken aufgebraucht wird. Es finden dadurch auch weniger Aktualisierungen statt. Durch die Datenbanken wird das Denken arritiert, es verschwendet sich an die Vergangenheit und kann sich nicht der Zukunft öffnen. Gleichzeitig sind Datenbanken und Archive Schätze der Menschheit. Warum aber lässt man es nicht zu, dass hier jeder, nach Fragestellung, eigene Wege geht? Warum ist die Notwendigkeit einer Historisierung allen Denkens so wichtig geworden?

Prestige und Wissenschaft

Universitäten sind in sich geschlossene institutionelle Gebilde. Heute ist es dazu wichtig, Forschungsgelder einzuwerben. Die Tendenz der Politik geht weltweit dahin, die Institute zu entwerten und nur noch mit dem Notwendigsten dauerhaft auszustatten, gleichzeitig aber Drittmitteleinwerbungen zu ermöglichen, die in Millionenhöhe gehen. Die einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind daher angehalten, vor allem mit denen zu kommunizieren, die Prestige versprechen. Menschen einzuladen, die wenig Prestige haben, sei es eine geringe Position, wenig Veröffentlichungen etc., widerspricht in dieser Hinsicht der Systemlogik. Dadurch monopolisieren sich die Forschungsthemen auf wenige Stars hin. Sobald ein Cluster Unmengen von Fördermitteln bekommt, setzt dies eine weitere Prestige-Einladespirale in Gang, die den Erfolg nochmals verstärkt. Man hat wenig Sinn, Menschen anderer Meinungen, kritische Geister, einzuladen.

A-territoriale Staatlichkeit

Kann es eine a-territoriale Staatlichkeit geben? Was würde das bedeuten? Man könnte sich denken, dass Menschen eine Nummer bekommen und dann das Recht ›am Körper‹ mit sich herumtragen. Diese Regeln würden für sie gelten. Oder man könnte die Staatenlosigkeit weltweit aufwerten, indem man jedem Staatenlosen die Mögichkeit gibt, sich frei zu bewegen. Dann würde das Recht des jeweiligen Staatsgebiets gelten. Man könnte dann also wählen, staatenlos zu sein und hätte das Recht, überall auf der Welt zu wohnen und zu arbeiten. Eine solche Globalisierung des Rechts ohne Staat ist nicht unvorstellbar.

2022.01.26

Über die Bekämpfung von Bluthochdruck

Von Bluthochdruck, in der Fachsprache der Medizin Hypertonie, spricht man ab einem Wert von 140/90 mm Hg (Millimeter-Quecksilbersäule). Eine Studie des Robert-Koch-Instituts stellte fest, dass 30 Prozent der Deutschen einen zu hohen Blutdruck haben. Man spricht auch von einer Zivilisationskrankheit. Organische Ursachen lassen sich schwer feststellen, das Wissen der Ärzte sei lückenhaft, die Mechanismen komplex, wie es in einem Paper der Hochdruckliga heißt: »Im menschlichen Körper wird der Blutdruck durch einen sehr komplexen Mechanismus reguliert. Dabei treten biochemische Botenstoffe, Organe, Blutgefäße und das Nervensystem miteinander in Wechselwirkung. Dieser Mechanismus ist bis heute nur teilweise erforscht. Die Ärzte wissen nur lückenhaft, an welchen Stellen dieser Mechanismus so gestört wird, dass Bluthochdruck entsteht. Das heißt, die körperlichen Ursachen für den zu hohen Blutdruck sind bis heute nicht bekannt.« ([Link]) Die Hochdruckliga empfiehlt:
»Normalgewicht anstreben
mäßiger Alkoholgenuss
wenig Kochsalz zu sich nehmen
gesunde Ernährung
Verzicht auf Nikotin[, also nicht rauchen]
regelmäßige körperliche Betätigung[, also laufen, laufen, laufen]
regelmäßiger Tagesablauf mit Pausen für Erholung und Entspannung«
Weiter heißt es: »Wird bei einem Menschen eine schwere Hypertonie festgestellt, dann sollte er sofort Medikamente zur Blutdrucksenkung einnehmen. Lautet die Diagnose dagegen leichte oder mittelschwere Hypertonie, dann sollten die Betroffenen zunächst möglichst viele der Empfehlungen für ein gesundes Leben umsetzen.« Medikamente, die gegen Bluthochdruck helfen, sind: Diuretika (Thiazide), Beta-Blocker, Kalzium-Antagonisten, ACE-Hemmer, AT 1 Rezeptor-Antagonisten (Sartane), Renin-Hemmer.
Ich meine, man könnte dem Bluthochdruck auch auf andere Weise begegnen. Man müsste überall den Schlaf erlauben. Wer liegt, hat einen niedrigen Blutdruck. Pritschen und Betten in öffentlichen Räumen aufstellen. Rückzugszonen errichten. Wasserspender überall. Viel trinken. Langsamer gehen. Ruhezonen schaffen. Die Pausen verlängern, die Arbeitszeit verkürzen. Vielleicht kommt der Blutdruck vom Stress her? Weil man mehr machen soll, als man kann? Der Körper läuft dann wie eine Dampflokomotive zu schnell. Der Kessel ist unter Druck. Aber das ist nur eine Hypothese. Hier müsste sich weitere Forschung anschließen, empirische Studien. Das Wissen ist lückenhaft. Die Mechanismen komplex. Man müsste Ruhezonen schaffen. Betten und Pritschen überall. Schlaf, Schlaf, den Menschen erlauben, zu schlafen, wenn sie müde sind. Ausschlafen. Sie sollen sich ausschlafen müssen. Betten und Ruhezonen errichten und Bäder. Nach dem Bad sinkt der Blutdruck. Bäder in öffentlichen Räumen. Pritschen und Betten überall. Zwischendurch ein Bad. Schlaf. Tiefer Schlaf senkt den Blutdruck. Man müsste Ruhezonen schaffen. Betten und Pritschen überall. Man kann der Zivilisationskrankheit nur durch eine Tugendänderung begegnen. Stress ist schlecht. Ruhe ist gut. Arbeitet langsamer. Schlaft aus. Legt Euch hin. Ruht Euch. Macht Euch keinen Stress.

Über Lichtgestalten. Wo sind die positiven Projekte?

Seit dem Ende des Wohlfahrtsstaats, das spätestens durch die Hartz IV-Gesetze eingeleitet wurde, gibt es kein einziges positives politisches Großprojekt mehr. Das Einzige, was man in dieser Hinsicht machte, waren Gesetzesänderungen im Hinblick auf Gleichheit, etwa die »Ehe für alle«. Aber auffällig sind an diesen Maßnahmen deren geringe Kosten. Der Staat tritt nur noch dann auf den Plan, und dann aber massiv, wenn es etwas Konkretes zu bekämpfen gilt, wenn reagiert werden muss auf eine Pandemie, auf Flüchtlingsströme, auf Rechtsextremismus. Das sind dann hilflose Maßnahmen, die das, was Jahrzehnte vorher versäumt wurde, nicht reparieren können, aber ungeheuer viel kosten und das Leid vergleichsweise wenig lindern. Gemeinsam ist diesen Projekten dann das Kontroll-Narrativ, die Ausweitung staatlicher Befugnisse, das härtere Vorgehen, die Bestrafung von Äußerungsformen etc. Warum haben Gesellschaft und Politik nicht mehr die Kraft, so etwas wie die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens zu stemmen? (Im Übrigen gab es das ja eigentlich schon, denn früher wurde der Bezug von Arbeitslosengeld nicht so streng überprüft.) Oder die Ungerechtigkeit weltweit zu bekämpfen, bevor die Wirtschaftskrise ausbricht, bevor sie sich in Flüchtlingsströmen Bahn bricht? Wo ist die Freiheit? Wo ist die Idee der sozialen Gerechtigkeit, der Teilhabe an der Demokratie, des schönen Lebens? Ich meine, das liegt daran, dass es einen Unwillen gibt, Zusammenhänge zu verstehen. Man kann sich nicht auf eine Interpretation einigen, wenn es um positive Projekte geht. Das wäre eigentlich einfach, aber es müsste eben eine Idee sein, eine Haltung, die man gemeinsam hat und für die man eintritt. Das aber fehlt. Und so hangelt sich die Politik von der einen Reparaturmaßnahme zur nächsten, weil die Notwendigkeit derselben ganz konkret sichtbar ist. Jeder weiß, dass es im Großen nicht stimmt, aber wenn es auch nur drei Ansätze gibt, zersplittern sich die Kräfte. Auch nimmt die Anzahl der politischen Reparaturprojekte derart zu, dass kaum mehr Zeit bleibt im Karussell der Betriebsamkeit, ein Außerhalb zu denken. Aber ist es das alleine? Es gab doch immer diese Lichtgestalten, Muhammed Ali, Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Jean-Paul Sarte, Simone de Beauvoir, wo sind sie? Es gibt sie, aber sie werden an einem frühen Punkt aufgerieben. Man traut es ihnen nicht zu. Es fehlt die emotionale Resonanz. Intellectus interruptus. Die Skepsis ist allgemein zu groß. Es ist eine Art Shifting des Weltgeists. Der Weltgeist hat keine Kraft mehr, ist müde geworden, er verzettelt sich im Konkreten. Die Menschen wollen auch diese Lichtgestalten nicht mehr, sehnen sie nicht herbei. Sie errichten lieber Bühnen und ergötzen sich daran, wenn diese scheitern. Dann können sie sagen: Siehst Du, Du bist auch ein Mensch und kannst nichts ausrichten. Es fehlte nur ein Funke und die Lichtgestalt würde wieder ihre Energie freisetzen.

2022.01.25

Melancholische Studie. Ritornell

#Neuer Song: Ich schlafe ein

Gestern spielte ich am Abend nach dem Apparat etwas Gitarre. Sehr leise freilich, ich bin ja in Japan. Und diese Melodie blieb mir bis heute Morgen im Kopf und schwirrte in der Nacht in meinen Träumen herum.


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2022.01.23

Erinnerung und intersubjektive Resonanz

Erinnerung wird gemeinhin als individuelle Erinnerung gefasst. Aber sie ist sehr stark intersubjektiv. Ich erwarte vom Anderen, dass er sich erinnert, was ich auch erinnerte. Erinnerung erzeugt also einen intersubjektiven Erinnerungsraum, auf den wir uns beziehen. Erinnert sich der Andere nicht an etwas, was ich aber von ihm erwarte, bin ich enttäuscht. Umgekehrt können auch seine Berichte meine Erinnerung auffrischen.

2022.01.22

岩渕貞太『A Water Vein』/ Teita Iwabuchi »A Water Vein« (2021), 黒田育世『病める舞姫』/ Ikuyo Kuroda »La Danseuse Malade« (2021), 大橋可也&ダンサーズ『Tune To A Dead Channel: Departure / Arrival』(2021)


Was für beeindruckende Butoh-Filme, die uns ein Bild für den Zustand unserer Körper geben! Mehr Infos auf [Japanisch]. [Homepage] von Teita Iwabuchi, [Homepage] von Ikuyo Kuroda.

2022.01.16

Hauskonzert

Das Problem der mehrschichtigen Erinnerung

Die heutige, digitale Gesellschaft stellt, sehr viel mehr als die analoge, spezifische Anforderungen an das Erinnerungsvermögen. Man könnte hier von einer Jonglage der Erinnerungen sprechen. Man kommt, selbst bei scheinbar einfachen Tätigkeiten wie der Bedienung des Computers, nicht umhin, mehrere Vorgänge gleichzeitig im Gedächtnis zu behalten. Erinnerung ist also kein Aufrufen von Vergangenem mehr, sondern eine die Präsenz umgebende Sphäre der Aktualisierungsmöglichkeit. Ich meine, dass dies eine eigene Arbeit ist und einen bestimmten Denkstil bedingt, auch Stress auslöst, weil man, wenn man nicht im richtigen Moment aktualisiert, keine Handlung ausführen kann bzw. Fehler begeht, die andere betreffen. Ein wichtiger Moment ist es, auf E-Mails und Anfragen schnell zu antworten. Lässt man sich Zeit, ist die Gefahr größer, dass man vergisst. Man mutet aber auch den anderen Menschen eine größere Plastizität der Erinnerungen zu, sie müssen, anders gesagt, ihre Aktualitätsphase durch unser Warten vergrößern.

2022.01.15

Koinzidenzen

Gerade lese ich in der FAZ vom Tod von Jean-Jacques Beineix. Kino der 1980er Jahre mit interessanten Erzählexperimenten und einer besonderen Visualität. In dem Artikel wird von einer merkwürdigen Koinzidenz berichtet: »Ein Film, dessen Produktion von Tragik überschattet war, spielte darin eine besondere Rolle. Im November 1991, kurz vor dem Ende der Dreharbeiten zu ›IP 5 – die Insel der Dickhäuter‹, erlag Beineix‘ Hauptdarsteller Yves Montand einem Herzinfarkt. Der Film sollte von zwei Jugendlichen erzählen, die mit einem alten Abenteurer durch Frankreich ziehen, und weil die Figur von Montand ebenfalls an einem Herzinfarkt sterben sollte, wirkte Montands Tod wie ein böser Witz des Schicksals. Ein Double sprang für ihn ein, aber die Geschichte war nicht mehr dieselbe, der Film blieb Fragment. Der Kinoerzähler Beineix hat sich von diesem Schlag nicht mehr erholt.« [Link]
Das wäre eine eigene Untersuchung wert, die Tode und Merkwürdigkeiten an Film-Sets. Vielleicht gibt es solch ein Buch schon, bestimmt.

2022.01.05

Time Goes By...


Heute bei Enoshima.

2022.01.03

Klangkulisse am Bahnhof in Kashii (Kyushu)

2022.01.01

Neujahrsgrüße

Liebe Leserinnen und Leser dieser Webseite,
ich wünsche Ihnen ein frohes und vor allem gesundes neues Jahr!
Ihr
Andreas Becker

みなさま、
あけましておめでとう!
ベッカー アンドレアス

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In meiner Arbeit Gefühl und Alterität unternehme ich den Versuch, in philosophischen Miniaturen alltägliche Gefühlsmomente darzustellen. Das Buchprojekt im Büchner-Verlag ist als Serie angelegt. Veröffentlicht sind bereits 999 Notizen. Am zweiten Band arbeite ich seit 2016, dieser erscheint 2022. Ein thematischer Schwerpunkt wird auf der japanischen Kultur liegen, da ich seit dieser Zeit in Japan lebe. Die Miniaturen sind nicht abgeschlossen. Man soll sie diskutieren, weiterdenken, hinterfragen und ergänzen. Auf dieser Webseite veröffentliche ich einige Fragmente, die dann in den dritten Band einfließen werden. Da ich unter keinem Zeitdruck stehe, warte ich so lange, bis ich das Gefühl habe, der Band sei nun reif für die Publikation. Wenn Sie mir eine E-Mail schreiben möchten, erreichen Sie mich unter Andreas Becker, beckerx[at]gmx.de. Zur Homepage geht es hier https://gua.zeitrafferfilm.de/.
Hier finden Sie die Seite des Büchner-Verlags. Hier finden Sie einen Überblick über alle meine Projekte im Büchner-Verlag. Die bislang entstandenen Youtube-Videos:

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