Die Passivität der Selbstgenügsamkeit. Über die Möglichkeit des Friedens. Stream-of-Consciousness-Vortrag
Wenn man sich fragt, in dieser heutigen Welt, die so chaotisch zu sein scheint, voller Kriege, Konflikte, wie man in diese Welt Frieden hineinbringen kann, dann ist das eine Frage, die in dieser Grundsätzlichkeit kaum in der Öffentlichkeit gestellt werden kann. Jeder möchte ein konkretes Rezept haben, wie man ganz schnell die Konflikte politisch oder über Verhandlungen lösen kann. Aber mir scheinen die Schwierigkeiten grundsätzlicher Natur. Wie ist Frieden möglich? Man könnte hier wieder Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ lesen. Ich habe das vor ein paar Wochen gemacht. Aber das, was ich jetzt sage, geht in eine etwas andere Richtung. Ich würde sagen, eine Bedingung von Frieden ist die, dass der Mensch bei sich selbst anfängt und einen inneren Frieden pflegt. Wir sind heute nach außen gerichtet. Wir glauben, dass wir durch Produkte glücklich werden, das ist ein materialistischer Zug der Moderne. Und wenn wir ein Produkt kaufen, dann kommt das Produkt von irgendwoher, und die Produkte kommen meist heute von sehr weit her. Und damit hat man, indem man ein Produkt kauft, sich selbst glücklich machen möchte, durch den Erwerb, schon Einflusssphären tangiert. Insofern würde ich sagen, wenn man das als einen Grund des Nicht-Friedens, des Konflikts, des Krieges betrachten möchte, dass diese Einflusssphären, dass man die nicht kontrollieren kann, dass es da Schwierigkeiten geben kann, wenn man da den Grund sieht, dann sollte man das erst mal reduzieren, d.h. auch, dass man das Ganze nach außen Gerichtete reduzieren müsste, dass man sagt: Ich frage mich selbst mal danach, warum ich das glaube, dass ich da so glücklich werde, indem ich das nach außen richte, indem ich kaufe oder reise oder so etwas. Und dann wäre die andere Form, dass man das reduziert und sich sagt, ich versuche einen inneren Prozess einzugehen, der mir erlaubt, das zu steuern. Und so diese Sphären zu schonen. Sie müssen sich beruhigen. Der andere Weg wäre, dass man die Produkte erwirbt, bei denen man dieses Tangieren der Sphären auf ein Minimum reduziert. Wenn ich im Garten etwas anbaue, einen Salat, und den pflege, dann habe ich damit keinen Anspruch an den Anderen, sondern ich habe ihn selbst gepflegt, gegossen, gesät. Dadurch ist es auf eine Weise friedlicher, weil das Geld ein Mittler ist, der wie ein Filter wirkt für die Konflikte, die dahinter stehen bei der Produktion und allem.
Der andere Weg, der wäre ganz ähnlich, Frieden zu erzeugen, zu ermöglichen. Der ist, dass man diese Abstraktion des Staates, denn nur Staaten führen Kriege, dass man die hinterfragt. Wenn ich hier so liege und spreche, dann sehe ich den Staat direkt nicht. Ich stelle ihn mir vor. Auch wenn ich auf ein Amt gehe, sehe ich den Staat nicht, ich sehe Menschen, die etwas tun. Also phänomenologisch gesprochen gibt es den Staat im Alltag nicht. Es gibt Wirkungen, die sich zuordnen lassen, die sich einfach zuordnen lassen, wenn ich so ein Abstraktum wie den Staat annehme. Aber diejenigen, die im Haus sitzen, wenn die Bombe fällt, die sehen auch nicht in Staat, die sehen die Bombe, die fällt, die suchen Schutz. Aber die Ursache der Bombe ist der Staat, der Staat, der Kriege führt, Staaten, die Kriege führen, ich brauche immer zwei.
Ein Künstler, der diese Abstraktion nie mitgemacht hat, ist Max Ernst. Es gibt nicht so viele Künstler, die meisten haben sich auf eine Seite gestellt und gesagt, der Staat hat recht. Der Max Ernst hat das nie mitgemacht. Er hat gesagt, ich mache doch Kunst! Das ist das, das meinen Alltag erfüllt. Und er ist dann über Grenzen gegangen, nach Frankreich, nach Amerika, damit er diesem Krieg entfliehen konnte, aber auch diesem Denkmuster, dass ich identifiziert mit dem Staat, Angst hat, vor dem Staat, die Menschen, die in dem Staat leben, gleichsetzt mit dem Staat, was es nie gibt. Sie sind als Abstraktum Staatsbürger.
Und diese beiden Momente, bei sich selbst suchen, sich selbst befrieden und immer eine Differenz von sich selbst zum Staat sehen, diese Imaginationsleistung nicht erbringen, sich ständig zu hinterfragen, wenn das auch denen gelingen würden, die im Staat an den oberen Positionen sitzen, die also die Macht im Staat haben, solch eine Distanz zu ihrer eigenen Repräsentationsfunktion einzunehmen, das gab es schon mal, dann könnte man die Welt auch sehr schnell friedlich machen. Wenn diese Bereitschaft da wäre, dieses zu hinterfragen und einzugehen, dann wäre die Welt ganz schnell sehr friedlich. Aber wenn man das den Menschen so sagt, dann wirkt man unrealistisch. Und der Politiker wirkt schwach, der da so denkt. Das den Menschen beizubringen, dass man diese Schwäche, gewissermaßen auch Askese, dass man die eingehen muss, wenn man Frieden will, ohne dass Vorwürfe zu machen wären, dass das andere Verhalten Kriege stiftet, das ist es nicht. Nur eben diese Möglichkeit, die man hat, eigentlich ist es eine Möglichkeit des Verweigerns, des Nicht-Machens, des Nicht-Mitmachens, wenn man die ergreift, die Passivität der Selbstgenügsamkeit, dann ist er ganz leicht herstellbar, der Frieden.
Improvisierter Vortrag, live und ohne Vorbereitung oder Manuskript gesprochen. [mp3]
2025.01.16
Ankündigung: Stephan Thome liest aus seinem Roman Pflaumenregen 21. Januar 2025, 17.00 bis 18.30 Uhr, Mita-Campus der Keiō-Universität, Raum D2091, im 9. Stock des Minami-kan
Taiwan ist die zweite Heimat des Schriftstellers Stephan Thome und der Schauplatz seines Romans Pflaumenregen. Beginnend in den 1940er Jahren zeichnet der Autor über drei Generationen hinweg das Porträt einer taiwanischen Familie, deren Mitglieder den Wechselfällen der Geschichte auf je unterschiedliche Weise ausgesetzt sind. Bis 1895 gehörte die Insel Taiwan zum chinesischen Kaiserreich, anschließend wurde sie für fünfzig Jahre von der Kolonialmacht Japan regiert, ehe nach dem Pazifikkrieg das vom Festland vertriebene Regime Chiang Kaisheks dort einen autoritären Polizeistaat errichtete. Nicht weniger als vierzig Jahre lang stand Taiwan unter Kriegsrecht! Von den Japanern erst zögerlich, dann nachdrücklich japanisiert, wurde die Bevölkerung nach 1945 teils gewaltsam re-sinisiert und konnte erst in jüngster Zeit eine eigene - intern umstrittene und von der Volksrepublik China heftig bekämpfte - taiwanische Identität ausbilden. Von all dem erzählt Thomes Roman, aus dem er an der Germanistik der Keiō-Universität liest und mit uns diskutiert.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Eintritt: frei.
Leseprobe Pflaumenregen[Link]
Gefördert vom DAAD Tōkyō
Zeit: 21. Januar 2025, 17.00 bis 18.30 Uhr
Ort: Mita-Campus der Keiō-Universität, Raum D2091, im 9. Stock des Minami-kan [Anfahrt]
Am Mittwoch, 22. Januar 2025, spricht Stephan Thome zum Thema: „Insel im Fadenkreuz: Wie gefährlich ist der Konflikt um Taiwan?“ in der OAG-Bibliothek. [Weitere Infos, Link OAG]
Impressionen vom Flug Frankfurt am Main nach Tōkyō
2025.01.09 Vortragsreihe zum Epos und Film in Bamberg
Privatdozent Dr. Felix Lenz spricht an der Universität in Bamberg ab dem 14. Januar mehrere Termine über das Thema Episch! Inspirationen zwischen Epos und Film: „Die älteste Gattung, das Epos, ist bis heute in Kino und Fernsehen äußerst beliebt. Die vier Vorträge geben Einblick in die film- und mediengeschichtliche Rolle epischer Narrative, Theoriebestände und ästhetische Einzelbeispiele. Herzlich eingeladen sind alle Kulturinteressierten sowie Studierende und Lehrende der Philologien, der Philosophie, der Kommunikationswissenschaft und aller Geisteswissenschaften.“
Mehr Infos gibt es [hier].
2025.01.08 Im Duett mit dem Zufall/Evening Melody
Im Duett mit Xynthesizrs (Ipad) Zufallsmusik [mp3] [mp3]
Evening Melody (Ableton Note) [mp3]
Gewinn durch Einforderung
Gewinn kann im Kapitalismus auf verschiedene Weise erzielt werden. Die Methode von Donald Trump ist nicht die der besseren Leistung oder der Qualität der Waren etc. Er fordert ein und verallgemeinert das Prinzip des Immobiliengeschäfts so auf den Weltwarenverkehr. Wie man Grundstücke einfordert, erpresst, so macht er es nun mit dem Panama-Kanal, Grönland, der NATO und vielem mehr. Das funktioniert kurzfristig als Machtdemonstration, wird aber die anderen Staaten und früheren Bündnispartner derart abschrecken, dass sie neue Allianzen suchen und eigenständige Strukturen aufbauen. Zölle werden die Innovation Amerikas und seine Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern. Nach Trump sieht es noch düsterer aus. Dann muss wieder ein Diplomatenkünstler kommen, der den Scherbenhaufen zusammenliest. Interessanterweise äußert sich Trump derzeit nicht über die Innenpolitik. Er sucht den äußeren Feind und die Ungerechtigkeiten, die die Einheit dann offenbar indirekt herstellen soll.
2025.01.07 Trump-Chronik
Heute beginne ich meine Trump-Chronik. So versuche ich, das Ungeheuerliche zu verstehen. [Link Trump-Chronik]
2025.01.06 Macht und Argument
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922, S. 28, § 16)
Da Macht ein Durchsetzungsvermögen ist, tendiert sie dazu, Argumente zu ignorieren. Wer die Macht hat, muss nicht mehr empfänglich sein für Gegenargumente der Anderen und deren Kritik, noch nicht einmal diskursivieren muss der Machthaber/die Machthaberin die Prämissen. Scheinbar ohne Grenzen kann der Mächtige regieren. Schwierigkeiten entstehen dann, wenn Entscheidungen falsch sind, also Gewalt hervorrufen. Diese wird dann zum zynischen Gradmesser, wie viel Macht jemand inne hat. Die Macht wird dann zunehmend irrationaler, koppelt sich immer mehr von Diskursen ab, sucht Loyalität. Das Argument ist auf Dauer immer stärker, da die Realität eine Logik hat, die keine Macht zu beugen imstande ist. Aber bis dahin kann es viele Opfer kosten. Mitunter werden sogar diejenigen, die im guten Sinne Schlimmes verhindern wollen, bekämpft, man bekämpft die Menschen, die Argumente vorbringen, hasst das Argument als solches, glaubt, man könne einfach alles intuitiv verstehen. Jeder weise Machthaber hat eine Persönlichkeitsstruktur, die ein Gegengewicht zu den ungeheuren Möglichkeiten bietet. Es ist eine innere Zensur, ein Zögern, das es gebietet, nicht alles zu tun, was in der Macht läge und auf Beraterinnen und Berater zu hören, empfänglich zu sein für alterne Stimmen, obwohl sie eine andere als die eigene Meinung vertreten. Ich meine, es ist ein Kennzeichnen der Demokratie, dass man sich auf diese Verquickung von Macht und Argument immer berufen kann, jenseits der politischen Lager. Wenn die Macht glaubt, sich vom Argument, wohlwissend, entkoppeln zu können, wird es gefährlich. Die heutigen technischen und militärischen Möglichkeiten haben apokalyptisches Potential.
2025.01.05 Werbespot in Japan
Seit einigen Monaten läuft ein Werbespot von Mitsubishi Estate (三菱地所) im Internet und in den japanischen Kinos rauf und runter. Man sieht darin eine junge Frau, die shopping geht. Sie isst alleine, schaut sich um wie im Märchenland und hat immer mehr Tüten in der Hand. Dazu ruft sie uns aus den verschiedenen Restaurants, Szenerien und Bars zu, dass das wie Paris, wie New York, wie Bangkok sei, was am Ende ironisch gebrochen wird. Die Frau wird von der Schauspielerin Mitsuki Takahata dargestellt. Sie begann ihre Karriere mit TV-Serien und Ultraman-Filmen wie Jossy's 『女子ーズ』[Link], spielte in Golden Kamui 『ゴールデンカムイ』[Link] und wirkte zuletzt in Koreedas Monster (2023) [Link] mit. Der Werbespot spricht viele an. Aber sicherlich finden ihn die jungen Frauen besonders gut, die gerne einkaufen gehen und noch nie in Europa, Amerika, Indien waren, die sich nicht trauen, in die Ferne zu reisen. Und die tatsächlich glauben, was Takahata da sagt, dass das sei wie in Paris, New York, Bangkok.
Was wirklich zählt...
Wenn du mitunter traurig bist
Es mag sein vielleicht, weil das Geld nie reicht
Dann sag′ dir, daß da manches ist
Was der reichste Mann sich nicht kaufen kann
Es gibt Sehnsucht, Träume
Nachts das Rauschen der Bäume
Es gibt Treue, Freunde
Jemand, der zu dir hält
Was wirklich zählt auf dieser Welt
Bekommst du nicht für Geld
Udo Jürgens Was wirklich zählt auf dieser Welt
... und immmer, immer wieder geht die Sonne auf.
Sag mir wie
2025.01.04 Digitale Projekte und Editionen
Einige interessante digitale Projekte und Editionen:
Rhizom Filmgeschichte
[Link]
Peter Handkes Notizbücher, digitale Edition
[Link]
Arthur Schnitzler, digitale Edition
[Link]
Briefedition Frank Wedekind
[Link]
Herman Melville, digitale Edition
[Link]
2025.01.04 Neuer Sound
Neuer Sound, Xynthesizr (Ipad) mit aleatorischer Musik und dazu spiele ich Piano [mp3]
2025.01.03 Installationen
In diesem Jahr möchte ich mir von diesen Künstlerinnen und Künstlern die Laser- und Lichtinstallationen ansehen:
Daitō Manabe
[Link]
Yasuhirō Chida
[Link]
Etsuko Ishihara
[Link]
Tatsuo Miyajima
[Link]
Ryōji Ikeda
[Link]
Chiharu Shiota
[Link]
Shōhei Fujimoto
[Link]
Christopher Bauder
[Link]
2025.01.01 Frohes neues Jahr!
Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs,
ich wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr und alles Beste für 2025! あけましておめでおとうございます!
Ihr
Andreas Becker
Yuccas Call my name aus dem Anime Ghost Hound
Die lange Version gibt es [hier] und die Klavierversion [Link]
Lichtenbergs Göttinger Taschen Calender
Der von mir so hoch geschätzte Georg Christoph Lichtenberg gab den Göttinger Taschen Calender heraus. Die digitale Edition erschließt diese interessante Arbeit nun. Welch eine Freude bereitet mir die Universität Bielefeld mit diesem Digitalisat! [Link]
Akustische Reiseimpressionen
Als ich in den letzten Wochen reiste, hatte ich Ableton Note auf dem Iphone immer dabei. So entstehen ganz schnell Soundskizzen, akustische Reiseimpressionen, die meine Stimmung besser wiedergeben, als es Worte oder Bilder könnten.
Reise von Japan (Tōkyō Haneda) nach Frankfurt, über die Arktis
Sonnenuntergang bei Jan Mayen Ridge [mp3]
Im Flugzeug [mp3]
Reise mit dem Zug durch Belgien (Brüssel, Gent, Antwerpen) im Nebel [mp3] [mp3] [mp3] [mp3]
Experiment mit dem Theremin-Synth [mp3]
Photos aus Belgien
Über diese Seite
In meiner Arbeit Gefühl und Alterität unternehme ich den Versuch, in philosophischen Miniaturen alltägliche Gefühlsmomente darzustellen. Das Buchprojekt im Büchner-Verlag ist als Serie angelegt. Veröffentlicht sind bereits 1.999 Notizen. Die Miniaturen sind nicht abgeschlossen. Man soll sie diskutieren, weiterdenken, hinterfragen und ergänzen. Auf dieser Webseite veröffentliche ich einige Fragmente, die dann in den dritten Band einfließen werden. Da ich unter keinem Zeitdruck stehe, warte ich so lange, bis ich meine, der Band sei nun reif für die Publikation. Wenn Sie mir eine E-Mail schreiben möchten, erreichen Sie mich unter Andreas Becker, beckerx[at]gmx.de. Zur meiner persönlichen Homepage geht es hier https://www.zeitrafferfilm.de/. Hier finden Sie die Seite des Büchner-Verlags. Hier finden Sie einen Überblick über alle meine Projekte im Büchner-Verlag.
Die bislang entstandenen Youtube-Videos [Link][Link]